Erstes Bild
Szene 1
Erzählerin Wir schreiben das Jahr 1458. Fernab vom kümmerlichen Leben der Bauern und noch ferner der blutigen Schlachtfelder liegt die Ofner Burg, wo wir uns soeben befinden. Seht, durch dieses Fenster kann man ins weite Ungarland hinabsehen. Und genau hier begibt es sich nun alle heilige Zeit, dass der Statthalter Deputationen des sogenannten niederen Volkes empfängt, hier hört er dessen große Sorgen und kleine Bitten. Es erinnert alles ein wenig an einen Gerichtssaal. Hier pflegt der Statthalter mitsamt seinen Herren zu ruhen, gerade neben dem Schreiberpult. Hier tritt das Volk für seine Audienzen ein.
Hauptmann Ein Visier gehört poliert, bitt’ ich mir aus! Was ist denn das mit dieser Hellebarde? Die ist ja voll Schmutz!
Zweiter Melde gehorsamst, das ist kein Schmutz, das ist nur Blut.
Hauptmann: Wieso Blut?
Zweiter Melde gehorsamst, ich hab heut’ früh einen Bauern angestochen.
Hauptmann Wegen was?
Zweiter Wegen nichts.
Hauptmann Was soll das?
Zweiter Melde gehorsamst, der Bauer, den ich angestochen habe, der hat den Herrn Statthalter beleidigt.
Hauptmann Und das ist nichts?
Hofbeamter Wann gehts denn los?
Hauptmann Seine Exzellenz, der Herr Statthalter, geruhen noch zu essen.
Hofbeamter Der frisst schon seit fünf Stunden– ist er wenigstens bereits beim Dessert?
Hauptmann Vor paar Minuten war er noch bei der Gans.
Hofbeamter Erst bei der Gans?
Hauptmann Kopfschmerzen?
Hofbeamter Kein Wunder! Da draußen hocken hundert Bauern seit sieben geschlagenen Stunden, alle warten auf die Audienz und alle duften nach Knoblauch– wer hält das aus? Ich nicht! Wenn diese braven Bauern wüssten, wie wenig Sinn es hat, ihre Beschwerden hier vorzubringen–
Hauptmann Die würden schön daheim bleiben–
Hofbeamter Ja. Sie würden daheim bleiben und alles anzünden.
Hauptmann Sag mal, unsereins kommt ja hier nicht heraus: ist es wahr, dass das Volk murrt?
Hofbeamter Es murrt.
Hauptmann Tatsächlich?
Hofbeamter Ja, und zwar gefährlich tatsächlich.
Hauptmann Aber warum denn nur?
Hofbeamter Warum? Gott, seid ihr Militärs naiv! Denk doch nur an die vielen Kriege, die wir alle gewonnen haben! Wir haben die Türken besiegt– stimmt! Doch unser halbes Land ist verwüstet und ausgestorben.
Hauptmann Jaja, wir haben viel Ehre geerntet.
Hofbeamter Ohne Zweifel. Aber leider kein Brot. Unsere Bauern hungern. Wenn die wüssten, dass Seine Exzellenz noch nicht einmal beim Dessert sind– na gute Nacht! Das Volk, kann ich dir verraten, traut den hohen Herren nicht mehr, und es ist unser Glück, dass wir gerade jetzt einen neuen König bekommen haben–
Hauptmann Wieso?
Hofbeamter Weil das Volk diesen neuen König liebt.
Hauptmann Also der hat doch bisher noch gar keinen richtigen Krieg geführt!
Hofbeamter Das spielt anscheinend keine Rolle. Das Volk hat eben einen sonderbaren Instinkt, es liebt ihn wirklich, unseren jungen Herrn Matthias Corvinus– und warum? Weil er mit besonderer Vorliebe seine eigenen Minister einsperrt. Er wird bereits »der Gerechte« genannt, »Matthias der Gerechte« – Tja, um vom Volk geliebt zu werden, muss man dessen Phantasie bedienen.
Szene 2
Erzählerin Seine Exzellenz der Herr Statthalter!
Statthalter Also, meine Herren: noch einmal ein solches Dessert und ich dank’ ab! Das sollen Zwetschkenknödel gewesen sein?! Das waren keine Knödel, das waren alte Kanonenkugeln– aus dieser Mehlspeisköchin gehört ein Gulasch gemacht! Du lachst schon wieder nicht mit? Was fehlt dir denn? Haben dir etwa die Knödel geschmeckt?
Graf Nein.
Statthalter Na also!
Statthalter Wie der lächelt– als wär’ ihm seine große Liebe gestorben oder gar sein bestes Pferd.
Ein Herr Er ist nur nervös.
Statthalter Ist er krank?
Zweiter Herr Er hat heut’ Nacht tausend Gulden verspielt.
Statthalter Uiweh!
Graf Es dreht sich nicht um die tausend Gulden, ich spiel ja nicht, um zu gewinnen– aber ich habe eben zuvor schlimme Botschaft erhalten: die Erträgnisse meiner Güter im fernen Siebenbürgen werden immer minimaler, wenn das so weitergeht, werd ich bald arbeiten müssen–
Statthalter Schlimm, schlimm! Aber arbeiten müssen wir alle– schau mich an, lieber Vetter! Anstatt, dass ich mich nach dem Essen ein bisserl hinlegen könnt, muss ich da Audienzen abhalten, Bittsteller trösten, Bauernsorgen teilen und was weiß ich noch–
Erster Herr Seine Majestät haben es eben so befohlen–
Statthalter Jawohl, Seine Majestät– Der junge Herr scheint ein Idealist werden zu wollen Die Gerechtigkeit ist zwar eine schöne Sache, aber wer die Macht hat, der braucht sie nicht. Wir werden’s diesem Herrn Corvinus schon austreiben– Also herein mit dem Bauernpack! Bin grad in der richtigen Stimmung! Wieviel hocken denn draußen?
Hofbeamter Zirka hundert.
Statthalter Großer Gott!
Hofbeamter Manche warten schon seit Wochen–
Statthalter Ich habe nicht gefragt, wie lange sie warten, ich habe gefragt, wieviele warten! Wir bitten, unsere Fragen präziser zu beantworten! Also los, los! Herein mit dem hochgeborenen Volk!
Szene 3
Statthalter Was ist das?
Hofbeamter Es sind Frauen aus dem Dorfe Selischtje.
Statthalter Frag, was sie uns mitgebracht haben!
Hofbeamter Seine Exzellenz, der Herr Statthalter geruht, Euch gnädigst zu fragen, was Ihr seiner Exzellenz mitgebracht habt? Was, Ihr habt nichts mitgebracht?! Ja, wisst Ihr es denn nicht, dass Bittsteller immer etwas mitbringen müssen, irgendein Geschenk? Eine riesige Melone oder eine uralte Münze, die man beim Ackern findet, oder ein Lamm mit zwei Köpfen– Ihr gefallt mir!
Statthalter »Gefallen«? Gott soll einen hüten!
Hofbeamter Beispiellos, dass Ihr hier ohne irgendetwas einzutreten wagt,
Statthalter Weinen auch noch! Ich halt das nicht aus! Raus! Raus damit!
Graf Halt! Gnädigster Herr Vetter, diese Weiber kommen doch aus Selischtje?
Statthalter Was weiß ich!
Hofbeamter Sie kommen aus Selischtje.
Graf Richtig! Dann gehören nämlich diese Frauen mir.
Statthalter Dir?
Graf Das Dorf Selischtje gehört zu meinem Siebenbürger Besitz.
Statthalter Ah so! Na, dann kann ich’s begreifen, dass er seinen Besitz verspielt– Gratuliere! Frag, was sie wollen, dann aber raus damit!
Graf Danke.
Hofbeamter Weint nicht! Ruhe! Habt Ihrs denn nicht gehört?! Na los! Redet! Wo brennts denn?!
Hofbeamter Exzellenz, diese Weiber haben eine etwas absonderliche Bitte–
Statthalter Geld?
Hofbeamter Nein. Sie bitten, Eure Exzellenz möchten ihnen Männer geben.
Statthalter Männer?!
Hofbeamter Ja.
Statthalter Sind sie wahnsinnig?!
Hofbeamter Exzellenz, die Weiber sagen, solange sie Männer hatten, kamen sie dem König nach, der immer und immer wieder die vielen Soldaten verlangte. Es blieb kein erwachsener Mann zuhause– und die Frauen sagen, sie hätten die Männer dem König bloß geliehen, jetzt möge Euere Exzellenz sie ihnen zurückgeben, und wenn der König noch weiter aus Selischtje Soldaten haben will, so müssen diese erst geboren werden, daher also–
Statthalter Also das sind deine Weiber?! Na, die müssen ja arg in Nöten sein!
Graf Mein gnädiger Herr Vetter, es ist leider nicht zum Lachen, dass mein in Gott ruhender Vater die Männer ausgerottet hat, indem er Seiner seligen Majestät jahraus, jahrein Soldaten geliefert hat. Seine selige Majestät mussten nur sagen: »Noch tausend, Michael!« und er trieb noch tausend zusammen.– Jetzt liegen die Felder brach und ich hab’ keine Einnahmen. Diese Frauen, mein gnädiger Herr Vetter, haben schon einigermaßen recht: von den kampfunfähig gewordenen Soldaten könnte man ihnen ja hie und da etliche zukommen lassen– und: Ihr würdet sie auch mir zukommen lassen, denn dann würden meine Felder wieder bebaut werden können.
Statthalter Hm. Schreib: die Frauen von Selischtje bekommen vom König Männer. Gegeben am– undsoweiter.
Statthalter Dir zu lieb.
Graf Danke.
Statthalter Jetzt aber raus damit! Raus!
Hofbeamter Raus! Raus mit Euch!
Statthalter Wieviel Männer willst denn haben?
Graf Dreihundert.
Statthalter Schreib: dreihundert!
Szene 4
Erzählerin Seine Majestät, der König!
Matthias Wieso? Ist dies heut erst die erste Deputation?
Statthalter Wir haben uns etwas verspätet, Majestät– ich fühlte mich nicht wohl
Matthias Dann gehörst du pensioniert.
Wieviel Deputationen warten noch draußen?
Hofbeamter Zirka hundert, Majestät.
Matthias Wird alles heute erledigt.
Statthalter Das dauert doch bis morgen früh–
Matthias Und wenn es bis übermorgen dauert! In diesem Lande bleibt nichts mehr unerledigt, dafür werden Wir sorgen– Was heißt das? »Die Frauen von Selischtje bekommen vom König Männer«– was soll das?
Statthalter Majestät, es ist kein Witz–
Matthias In diesem Buch darfs auch keine Witze geben. Ach so. Dieses Dorf gehört dir?
Graf Jawohl, Majestät.
Matthias »Die Männer dem König nur geliehen«– Hm. Und deine Weiber brauchen dreihundert Männer?
Graf Jawohl, Majestät.
Matthias Wieviel Seelen hat denn das Dorf?
Hofbeamter Dreihundert, Majestät.
Matthias Hm. Da sind doch aber dann auch die kleinen Kinder mit einbegriffen, und die gebrechlichen Greisinnen– wie? Da käm ja dann mehr als ein Mann auf ein jedes deiner Weiber– Unersättlich– »kampfunfähig gewordene Soldaten zukommen lassen«–
Hauptmann Majestät!
Matthias Was gibts?
Hauptmann Als braver Hauptmann Euerer glorreichen Armee fühle ich mich verpflichtet, Majestät mitzuteilen, dass diese ganze Ansiedlerei einen kleinen Haken haben dürfte–
Graf Was soll das?
Matthias Wieso?
Hauptmann Majestät, ich denke, das wäre eine schlechte Belohnung für Euere braven Soldaten, wenn man sie diesen Weibern vorwerfen würde, denn alles, was recht ist: schön sind sie nicht! Da müsst man schon eher alle Blinden im Land zusammentrommeln.
Graf Darf ich etwas einwenden–
Matthias Bitte.
Graf Majestät, ich kenne die Frauen von Selischtje und es ist mir ein Rätsel, warum sie gerade die Hässlichsten hierher gesandt haben– vielleicht wollten sie sich durch die Intelligentesten vertreten lassen, und intelligente Frauen, Majestät, sind ja meistens nicht gerade schön–
Matthias Gottseidank!
Hauptmann Gar so intelligent kamen mir diese Weiber auch nicht vor–
Graf Majestät! Die Frauen von Selischtje sind wunderschön, sie sind sogar berühmt in ganz Siebenbürgen!
Matthias Was du nicht sagst–
Graf Auf mein Wort!
Matthias Hm. Ich kenne ja mein Land leider nur als Kriegsschauplatz– und hier steht Meinung gegen Meinung. Höre, schick mir doch von deinen berühmten Frauen ein kleines Muster–
Statthalter Ein was?
Matthias Ja, er soll mir aus seinem Dorf drei Frauen schicken. Wir glauben nämlich nur das, was Wir sehen–
Graf Ihr glaubt mir nicht?!
Matthias Doch, doch. Aber die Schönheit ist ein Geschmacksproblem, und deinen Geschmack kenne ich nicht–
gibt es in Selischtje hübsche Mädchen, dann will ich dort meine tapfersten Krieger ansiedeln– Du hast Unser Wort!
Graf Majestät! Ich reit jetzt sofort nach Siebenbürgen und bring Euch ein Muster!
Matthias Glückliche Fahrt! Und wir fahren auch fort! Setz dich! Die nächsten!
Zweites Bild
Szene 1
Erzählerin Szenenwechsel. Wir befinden uns in der Badeanstalt zu Hermannstadt, Siebenbürgen.
Das Baden spielte in der damaligen Zeit eine große gesellschaftliche Rolle. Man badete in großen, hölzernen Wannen, in denen oft auch zwei Personen bequem Platz hatten, wenn sie sich gegenüber saßen. Da man damals noch fest daran glaubte, dass das Baden umso gesünder wäre, je länger man badete, saßen die Menschen oft tagelang in der Wanne.
Die Folge davon war, dass man auch in der Wanne sitzend sein Mahl verzehrte, die Post erledigte, würfelte, Tarock spielte und dergleichen– dies alles auf einem Brett, das quer über die Wanne gelegt werden konnte und also als Tischlein fungierte. Dabei wurden die Herren von Bademägden bedient, die zu viel Kleidung als unprofessionell empfanden und mit Recht nicht gerade im besten Rufe standen.
Der Besitzer des Etablissements, der Bader, der übrigens auch als eine Art Arzt tätig war, trachtete natürlich danach, nur sehr hübsche Bademägde zu haben, denn je hübscher sie waren, umso fleißiger badeten die Herren, und es ist also nur logisch, dass auch der Bader selbst nicht in bestem Rufe stand.
Ein altes Sprichwort sagt: »Der Bader und sein Gesind, gar oft Buben und Huren sind.«
Badmagd Und der Herr essen nichts?
Thomas Nein.
Badmagd Und auch ansonsten benötigen der Herr nichts?
Thomas Nein.
Badmagd Wie schade!
Dicker Der Herr ist verlobt–
Badmagd Oh pardon!
Bärtiger Atout! Atout! Atout!
Dicker Mir scheint, du verlierst?
Dürrer Wenn ich noch weiter so verlier, geh ich nie mehr baden–
Badmagd Und Kartenspielen tut der Herr auch nicht?
Dicker Seit er verlobt ist, rührt er keine Karte mehr an.
Badmagd Nicht essen, nicht trinken, nicht spielen, nicht– Ich bitt dich, zu was geht er denn überhaupt baden?
Thomas Zu Reinigungszwecken.
Dicker Das schon. Dieser Bader ist ein Tausendsassa! Immer bringt er die feschesten Weiber daher, wo er sie nur auftreibt?! Apropos: Geh hol mir den Bader, Putzi, er soll mich schröpfen!
Szene 2
Bader Bin schon da, bin schon da! Ah, der Herr Thomas! Seiens mir, bittschön, nicht bös, aber ich hab hinten im Dampfbad einen unerwartet hohen Besuch bekommen und den hab ich jetzt erst ein bisserl behandeln müssen, herrichten, auffrischen, regenerieren– er war nämlich einigermaßen parterre von dem langen Ritt von der Hauptstadt bis zu uns–
Dicker Von der Hauptstadt? Wer–
Bader Unser Herr Graf.
Dicker Ah, da schau her! Herr Graf sind wieder in Hermannstadt?
Bader Seit gestern!
Thomas Ein seltener Gast bei sich zuhaus–
Dicker Was erzählt er denn Neues?
Bader Er ist ziemlich wortkarg, der Herr Graf, scheint Sorgen zu haben–
Dicker Kann ich mir vorstellen!
Bader Dieser Riesenbesitz–
Thomas Der ihm nichts bringt–
Bader Wenn man näher hinschaut, ist mir Euer Wirtshaus lieber,
Thomas Beruhigt Euch nur! Wenn ich nicht bald einen Kredit auftreib’, sperr ich auch zu.
Dicker Wer heutzutag nicht!
Thomas Der, der dich grad schröpft.
Bader Nanana! Wenn mich der hohe Magistrat von Hermannstadt weiterhin so zu verfolgen beliebt, dann tausch ich sogar mit dem Grafen!
Dicker Der Magistrat verfolgt dich?
Bader Jeden zweiten Tag eine neue Vorschrift, ich werd kontrolliert und kontrolliert– Man könnt’ schon meinen, ich hätt’ kein solides Geschäft, hätt ein Frauen- und kein Badehaus!
Bist schon fertig? Geh zum Grafen, Anjuka– und hilf ihm ein bisserl regenerieren–
Dicker Wer war denn das? Eine Neue?
Thomas Diese Weiberwirtschaft– peinlich!
Bader Sagens mir nur nichts gegen die Weiber, Herr Thomas! Seit Sie in Ihrem Wirtshaus keine Kellnerinnen mehr haben, sondern nur männliche Kellner, sehe ich etwas düster für Ihren Geschäftsgang.
Thomas Meine Braut soll ein reines Haus betreten. Seit meiner Verlobung hab ich alle Kellnerinnen zum Teufel gejagt.
Bader Herr Thomas, merkens Ihnen folgende Weisheit:
Ohne Kellnerinnen gibts keinen Kredit. Ehre, wem Ehre gebührt! Und ohne Kellnerinnen wird Ihr Fräulein Braut vielleicht gar kein Haus betreten.
Thomas Lieber verlier ich mein Haus.
Bader Was tät’ denn dann das Fräulein Braut dazu sagen?
Thomas Sie wird mit mir überall leben.
Bader Na! Ihr seid durch die Liebe ein bisserl weltfremd geworden, Herr Thomas, weltfremd– und das ist gefährlich!
Szene 3
Graf Bleibt nur ruhig sitzen! Danke, danke!– Du Bader!
Bader Herr Graf?
Graf Ich bitt dich, leih mir einen Gulden–
Bader Aber Herr Graf! Bei mir haben Herr Graf Kredit.
Graf Bei dir schon. Gibs ihr–
Danke, danke! Also auf Wiedersehen–
Bader Meine Hochachtung, Herr Graf! Gnädiger Herr Graf bleiben doch jetzt hoffentlich länger in Siebenbürgen–
Graf Nein. Ich reite morgen wieder retour.
Bader Schon? Ewig schad! Als gäbs in Hermannstadt keine schönen Mädchen–
Graf Ich muss heut nur noch nach Selischtje–
Bader Also in Selischtje werden Herr Graf keine Schönheiten finden!
Graf Wie meinst du das?
Bader Ich mein das nur logisch– wo man hinschaut, lauter linke Füß’, und was für Füß’! Nicht die Spur von einer Grazie, Kein Wunder, dass sie keine Männer kriegen! Unlängst habens nämlich eine Deputation zum König geschickt–
Graf Du weißt davon?
Bader Ich hör hier alles. Und ein jeder sagt, denen ihre Männer sind nicht im Krieg geblieben, die haben den Krieg nur als Vorwand benützt, um nicht wieder nachhause zu müssen! Haben Herr Graf beim König zufällig die Deputation gesehen?
Graf Ja, es war wirklich abscheulich.
Bader Und derweil waren das noch die Schönsten!
Graf Die Schönsten?!
Bader Sie haben sich vorher noch ausgewählt– Schönheitskonkurrenz in Selischtje! Können Herr Graf sich vorstellen, wie die Zuhausgebliebenen–
Graf Lieber nicht!
Hm. Das ist eine schlimme Botschaft– das ist sogar so schlimm, dass es wirklich schon schlimm ist.
Bader Wieso, Herr Graf?
Graf Der König will mir nämlich nur dann männliche Arbeitskräfte geben, wenn die Weiber hübsch sind. Er will seine braven Soldaten nicht hässlichen Hexen vorwerfen–
Bader Dieser König wird immer gerechter. Der wird noch populär werden– ojeh!
Graf Was nützt mir das? Ich gab ihm mein Wort, ich bring ihm drei hübsche Frauen aus Selischtje– wieder ein Strich durch die Rechnung! Ich bin halt ein Pechvogel. Meine Felder liegen brach und meine Weiber sind Hexen. Wie soll sich da einer sanieren?
Bader Herr Graf haben dem König drei Stück Hübsche versprochen?
Graf Im besten Glauben! Aber kann ich aus einer Kuh eine Aphrodite machen? soweit ich die Situation ermesse, benötigen Herr Graf drei Stück schöne Frauen– sie müssen ja nicht aus Selischtje sein–
Graf Keine schlechte Idee–
Bader Sie liegt direkt auf der Hand. Herr Graf, schickens zum Beispiel gleich die Drei da–
Graf Nein, das geht nicht! Das müssten schon drei andere sein! Zum Beispiel drei anständige, verschwiegene Witwen– oder die Braut eines höchstehrbaren Bürgers–
Bader »Braut eines ehrbaren Bürgers«? Herr Graf, mir scheint, eine haben wir bereits! Einen Moment! Herr Thomas! Kommens mal geschwind her! Der gnädige Herr Graf hätten dringend mit Euch zu reden!
Thomas Mit mir?
Bader Ja! Kommens, kommens!
Die Braut dieses Mannes ist nämlich eine Schönheit– und er ist der Wirt vom »Einhorn«– Hörens her! Der Herr Graf wollen mit Ihnen ein Geschäft machen– ich sag nur: Kredit! Verstanden?
Thomas Was, der Herr Graf will mir Kredit–
Bader Ja.
Thomas Aber–
Bader Er benötigt natürlich gewisse Sicherheiten–
Thomas Aber alles, alles! Mein Wald, mein Haus, mein Vieh–
Bader Nein, er benötigt andere Sicherheiten. Herr Thomas, Sie wollen doch heiraten?
Thomas Ja.
Bader Schön. Der Herr Graf benötigen nämlich Ihre Braut–
Thomas Was?! Was hör ich?!
Graf Unsinn! So erzähl’s ihm doch vernünftig!
Thomas In diesem Punkt, Herr Graf, kenn ich keine Vernunft!
Bader Depp! So mach doch da keinen Bauernkrieg! Es ist doch alles radikal anders, hör her– No?
Eine kleine Reise in die Residenz– das ist alles.
Thomas Hoffentlich.
Bader Wie hab ich das gemacht?
Thomas Wann krieg ich den Kredit?
Graf Hol ihn dir noch heute ab.
Graf Wie hoch ist dieser Kredit?
Bader Eine Kleinigkeit– dreihundert Gulden.
Graf Dreihundert? Hoffentlich zahlt sichs aus–
Bader Herr Graf können beruhigt abreisen, Ich beschaff Euch noch zwei derartige Weiber, dass Seine Majestät sofort die halbe Armee in Selischtje ansiedeln wird! Herr Graf können sich auf meine Routine verlassen!
Nein, nein! Lauter höchstehrbare Witwen, Bräute, Töchter– garantiert!
Graf Wenn alles klappt, hast du nichts zu bereuen.
Bader Es klappt, es klappt! In drei Wochen hat der König das Muster!
Graf Schön. Also auf Wiedersehen–
Bader Herr Graf, ich hätt noch eine kleine persönliche Bitte–
Drittes Bild
Szene 1
Erzählerin Wir schreiben nun fünf Wochen seit dem Besuch der Selischtjer Delegation in Ofen. Langsam kommt Bewegung in die Sache.
Hofbeamter Wie ich soeben informiert wurde, werden uns Seine Majestät heute nicht um halbsechs, sondern bereits um dreiviertelfünf »überraschen«–
Statthalter Was? Schon um dreiviertelfünf?
Wie sehen’s denn aus?
Hofbeamter Wie eine wirkliche Deputation.
Statthalter Wahrheitsgetreu?
Hofbeamter Das echte Volk.
Statthalter Bravo. Wie spät ist es denn schon?
Hofbeamter Punkt halbfünf.
Statthalter Geht der Sand nicht nach?
Hofbeamter Nur paar Minuten, Exzellenz!
Statthalter Herein mit den Komödianten!
Echt, wirklich echt–
Wenn es Seiner Majestät beliebt, unsere Amtsführung zu kontrollieren, und zwar direkt überfallsartig zu kontrollieren, dann müssen wir uns eben wehren! Ich versteh’s nicht, was hat er eigentlich gegen die Korruption? Was hat ihm schon die Korruption getan? Wir können eine kleine Probe abhalten– Nun, mein Sohn, wie kann ich dir helfen?
Erster Exzellenz, Euere Güte kennt keine Grenzen, wie soll ich armer Bauer Euch danken–
Statthalter Ah, du willst dich bedanken?
Erster Euere Exzellenz haben mir doch schon wieder gnädigst sechs Schafe und zwölf Ziegen geschenkt–
Zweiter Auch ich möcht mich bedanken–
Statthalter Brav, sehr brav!
Zweiter Euere Exzellenz haben mir doch allergnädigst die Steuern nicht nur gestundet, sondern sogar gestrichen, angesichts der großen Not–
Statthalter Du leidest Not?
Zweiter Bitterlich. Und mein armes Weib ist gar arg krank–
Statthalter Schreib: dieser brave Bauer bekommt fünf Gulden, damit er Medizin für sein krankes Weib–
Matthias Halt!
Halt!
Statthalter Was los?! Ist der Hund des Teufels?!
Matthias Du bist des Teufels!
Statthalter Der König! Der König!
Matthias Ja. Steht auf! Rutscht hier nicht auf den Knien herum, Ihr seid doch in keiner Kirche! Auf!
Schreib: dieser brave Bauer bekommt keine fünf, sondern fünfundzwanzig, aber keine Gulden, sondern Hiebe!
Zweiter Majestät!
Matthias Schreib: diese beiden „braven Bauern” werden auf der Stelle in Ketten gelegt, Denn sie missbrauchen ihre Begabung, um ihren König und, was noch schlimmer ist, ihr eigenes Volk zu betrügen– Wache!
Hofbeamter Abführen!
Hauptmann Abführen!
Die Komödianten Gnade, Majestät! Gnade!
Matthias Es gibt keine Gnade.
Statthalter Majestät–
Matthias Ihr wisst also, wenn ich Euch »überrasche«? Man hats mir schon gestern erzählt–
Statthalter Wer?
Matthias Dieser treue Mann!
Statthalter Diese Beamtenseele?! Dieser Burgvogt! Diese Kreatur!?
Matthias Halt den Mund!
Statthalter Was erlaubt Ihr Euch? König, bei meinem hohen Stande!
Matthias Gerade deshalb! Du hast dir Komödianten engagiert, aber ich kenne mein Volk, und ich weiß auch, wie es über Deinesgleichen denkt, hoher Herr–
Im Namen des Volkes! Abführen!
Statthalter Matthias Corvinus, dazu hast du kein Recht!
Matthias Wer die Macht hat, braucht kein Recht– das ist doch dein Gesetz!
Statthalter Ich bin kein lumpiger Bauer!
Matthias Abführen! Raus!
Statthalter Diese Schmach sollst du mir büßen!
Szene 2
Hofbeamter Büßen?
Matthias Hast du Angst?
Hofbeamter Angst gerade nicht– aber ein unangenehmes Gefühl.
Matthias Der kommt nicht mehr zurück.
Hofbeamter Wer weiß!
Matthias Komm, setz dich dorthin–
Hofbeamter Wohin?!
Matthias Ja. Wir haben das Dekret bereits vor vier Tagen unterzeichnet, du bist Statthalter. Exzellenz–
Hofbeamter Majestät–
Matthias Ich bitt’ dich, tu nur nicht so, als hättest du’s nicht schon gewusst! Du weißt es doch schon seit drei Tagen– von der großen Schwester meines Pagen, nicht?
Hofbeamter Majestät scheinen allwissend zu sein–
Matthias Du bist zwar ein großer Komödiant–
Hofbeamter Majestät!
Matthias Ich wollte nur sagen, das Sympathische an dir ist, dass du weißt, dass du ein Gauner bist. Ein guter Statthalter muss Gewissensbisse haben. Setz dich! Los, das echte Volk, wenn ich bitten darf!
Szene 3
Bader Hochgeborener Herr Statthalter! Exzellenz–
Hofbeamter Was für eine Deputation seid Ihr?
Bader Das ist keine Deputation, sondern ein Muster.
Hofbeamter Ein Muster? Mit Euch ists wohl nicht ganz richtig. Was für ein Muster? Ich versteh kein Wort–
Bader Exzellenz halten zu Gnaden, das sind die drei Frauen aus dem Dorfe Selischtje, die ich im Auftrage meines Herrn, des Grafen von Hermannstadt, dem König bringen soll, damit der König sich überzeuge, dass er dortselbst mit bestem Gewissen seine tapfersten Krieger ansiedeln–
Matthias Ach so! Aha–
Hofbeamter Wieso, Ihr kennt diesen Fall?
Matthias Jaja, ich kann mich noch erinnern.
Bader Es war vor zirka fünf Wochen–
Matthias Stimmt. Damals haben Seine Majestät dem Grafen von Hermannstadt den Auftrag erteilt, ihm dieses Muster zu übersenden–
Hofbeamter So?
Matthias Ja.
Hofbeamter Und?
Matthias Nun, ich denke, Exzellenz: Ihr seid zwar der Stellvertreter des Königs, doch nicht in allen Angelegenheiten seid Ihr im Stande, ihn zu vertreten.
Hofbeamter Aha. Was also ratet Ihr uns zu tun?
Matthias Nun, ich bin zwar nur Euer geringster Ratgeber, ja sozusagen nur Euer Diener– doch, wenn ich etwas raten dürfte, so solltet Ihr Euch zuerst einmal mit dem König in Verbindung setzen– Wartet bis dahin draußen
Hofbeamter Wartet draußen!
Schreiber Püh–
Matthias Hm. Was ist da zu tun?
Hofbeamter Wenn ich meinem geringsten Ratgeber raten dürfte, so könnte man es dem König ruhig sagen, dass er seine tapfersten Krieger mit bestem Gewissen in Selischtje ansiedeln kann– und dieses Muster, das schicken wir nun wieder nach haus, wir haben uns ja bereits überzeugt, dass es nicht hässlich ist– nicht?
Matthias Wie mir scheint, ist der König noch nicht ganz überzeugt–
Hofbeamter Dann wird er sich wohl noch überzeugen müssen.
Matthias Hm. Spaß beiseite: Was ist da wirklich zu tun?
Hofbeamter Tja, was denn nur?
Matthias Ich bin doch schließlich der König.
Hofbeamter Das wäre noch kein direkter Grund.
Matthias Aber ich kann doch nicht meine braven Landeskinder, nur weil sie hübsch sind–
Hofbeamter Diese drei braven Landeskinder suchen doch Männer!
Matthias Das schon!
Hofbeamter Man merkt’s ihnen auch an.
Matthias Aber die suchen doch ganz andere Männer! Tüchtige Siedler, arbeitsame, kernige Bauern!
Hofbeamter Nun, Majestät, ich glaube, die würden sich auch mit einem kernigen Städter zufrieden geben, zum Beispiel, mit einem arbeitsamen Statthalter–
Matthias Sei so gut!
Szene 4
Graf Majestät, soeben hab ich’s vernommen, dass mein Muster eingetroffen ist– ich habs in der Burg gehört, die ganze Stadt ist ja in heller Begeisterung
Matthias Fürwahr! Wenn ganz Selischtje so aussieht, erbaue ich dort nächsten Winter eine Burg!
Hofbeamter Und ich werde Burgvogt.
Matthias Schon wieder?
Graf Wo sind sie? Ich möcht sie ja auch schon gern sehen–
Matthias Kennst du sie denn nicht?
Graf Mein Gott, Majestät, ich hab’ meinen Präfekten beauftragt, er möge drei Frauen aus Selischtje hierher bringen, irgendwelche.
Matthias Dort warten sie.
Matthias Schön. Wenn du meinst–
Hofbeamter Wir werden dies Problem schon meistern. Nur Mut, Majestät!
Matthias Mut?
Hofbeamter Oh, Majestät!
Matthias Was fehlt denn dir? Du bist ja weiß–
Graf Nichts, Majestät– es war nur das Herz. Das hört manchmal so komisch auf.
Matthias Es tät mir leid, wenn du heut Abend nicht mit dabei sein könntest.
Graf Das tät mir auch sehr leid.
Matthias Du willst doch nicht kommen?
Graf Ich komme, Majestät. Sicher.
Matthias Du solltest dich lieber schonen–
Graf Ich schone mich nicht.
Matthias Ruf sie herein!
Hofbeamter Wo sind die Frauen?
Bader Verzeihung, hochgeborener Herr Statthalter, aber die eine ist durch das lange Warten grad vorhin ein bisserl’ schwindlig geworden–
Matthias Schwindlig?
Hofbeamter Hoffentlich wirds bald wieder gut?
Bader Sicher! Es war nur das Herz. Das hört manchmal so komisch auf–
Hofbeamter Nun, höret! Ich habe mich mit Seiner Majestät in Verbindung gesetzt und Seine Majestät geruhten, allergnädigst zu bestimmen, dass Seine Majestät die Frauen aus Selischtje auf seinem Jagdschloss zur Audienz erwarten, und zwar noch heute Nacht– heute Abend. Ihr werdet dann abgeholt. Gehet nun in Frieden!
Graf Majestät, darf ich nun wieder fort–
Matthias Warum? Bleib nur noch, wir haben viel zu tun– Die Nächsten!
Viertes Bild
Szene 1
Bader Herein!
Danke, Herr Hofwirt.
Hofwirt Die ganze Stadt ist aus dem Häusel, sogar gerauft ist schon worden, wer die Schönste wär– Wo stecken denn die Damen?
Bader Dort. Sie ziehen sich an.
Hofwirt »Sie ziehen sich aus«–
Bader An!
Hofwirt Jaja, jung müsst man halt wieder sein, und schön! Hörens nur, wie die Leut’ singen, besonders, seit es publik geworden ist, dass der König die Damen auf sein Jagdschloss geladen hat! Wisst Ihr, was das bedeutet?
Bader Ich kanns mir vorstellen.
Hofwirt Die seltenste Auszeichnung! Was schreibens denn da?
Bader Mein Testament.
Hofwirt Testament?
Bader Man weiß es nie. Vielleicht schon diese Nacht–
Hofwirt Bei einem solchen Muster denkt der Mensch ans Sterben–
Bader Solche Naivlinge–
Wirklich prachtvoll– wie auf einem Friedhof. Der Graf zerreißt mich in der Luft– Seids bald fertig mit der Anzieherei? In einer halben Stund ist der Wagen des Königs da!–
Szene 2
Bader Allmächtiger!
Thomas Ich bin’s.
Bader der hat mir noch gefehlt! Seit wann stecken wir denn wieder in diesem Schrank?
Thomas Was weiß ich. Wie war denn die Audienz?
Bader Die Damen haben gefallen.
Thomas Bravo. Dann fahren wir morgen zurück.
Bader Möglich ist alles! Aber heut’ Abend müssen wir noch zum König. Wir sind eingeladen auf sein Lustschloss–
Thomas »Lust«?
Bader Es ist sogar vorgesehen, dass wir eventuell übernachten–
Thomas Übernachten?!
Bader Möglich ist alles. Ich habs nicht arrangiert.
Thomas Aber das wär ja grauenhaft! Nein, ich lass das nimmermehr zu, dass meine Braut da so einfach übernachtet! Nein, nein, nie!
Bader Hör her, du Narr! Ich hab dich mitziehen lassen, aber unter einer Bedingung, nämlich dass du unsere Expedition nicht hemmst! Wenn ich das geahnt hätte. Und überhaupt: Du könntest dich nur geehrt fühlen, wenn ein König sich für deine Braut interessiert.
Thomas Ich fühl’ mich aber nicht geehrt. Da hört sich das Vaterland auf! Wenn er es wagen sollte–
Bader Halt’s Maul! Trottel!–
Thomas Könnte ich mal meine Braut sprechen?
Bader Jetzt werd’ ich aber wirklich wild! Jetzt werd’ ich aber sogar rabiat! In einer halben Stund’ wird sie abgeholt und du möcht’st sie vorher noch aufregen, was?! Wo sie eh schon nervös genug ist! – verschwind, sag ich dir, sonst–
Thomas Du drohst mir?!
Bader Jawohl, ich drohe dir! Noch ein Wort– und ich fang an zu weinen! Du reißt uns ja noch alle in– –einen Strudel!
Thomas Gut, ich geh. Aber das eine merk dir: wenn etwas passieren sollte, dann bin ich da– dann komm ich aus irgendeinem Schrank, und, wenn’s auch der König selber wär, ich bring ihn um!
Bader Der hat mir aber wirklich noch gefehlt–
Szene 3
Bader Gnädigster Herr Graf–
Graf Halt den Mund!
Bader Die Braut dieses Thomas–
Graf und?
Bader eine brave höchstehrbare Witwe–
Graf »Höchstehrbare«!
Bader Sehr wohl, gnädigster Herr Graf! Sie kommt aus Kronstadt, eine Kürschnermeisterswitwe–
Graf »Kürschner«? Dir müsste man mal das Fell abziehen, Verbrecher! Das ist keine Witwe, Lüg nicht! Ich kenne sie genau!
Bader So? Und mir hat das Stück geschworen, sie kenne Euch nicht!
Graf Egal! Und wenn du alle Dirnen aus Siebenbürgen hergebracht hättest– egal! Jetzt sag mir nur mal: wer ist denn die Dritte, he? Jawohl, die Dritte?
Bader Ich bin unschuldig, radikal unschuldig! Sie hat unseren Plan erfahren und hat mich gezwungen– Tuns das Messer weg, Herr Graf! Jawohl, gezwungen hat sie mich, sie hat mich kommen lassen und hat mir gedroht, dass sie alles sofort verraten würdwenn ich sie nicht als Dritte mitnimm– undich konnts doch nicht verraten lassen, dass der Graf von Hermannstadt seinen König betrügt–
Graf Still! Schick sie heraus.
Bader Jetzt? Eine Viertelstund, bevor die Equipage des Königs–
Graf Auf der Stelle! Los!
Bader Schön. Herr Graf, ich möcht nur noch bemerkt haben, dass die beiden Anderen keine Ahnung haben, wer die Dritte ist–
Graf Schick sie heraus!
»Mein Testament«– »und so stifte ich dem Spital von Hermannstadt ein Bett für obdachlose Kellnerinnen und mein Personal bekommt meine Badewannen«–
Szene 4
Graf Was fällt dir ein?!
Die in Weiß Ich weiß, du könntest mich töten. Könntest mich auf der Stelle durchbohren– was?
Graf Mit Recht.
Die in Weiß Natürlich.
Graf Mit was denn sonst!
Die in Weiß Als ich dich vorhin beim Statthalter sah, wurd’ es mir allerdings etwas schwindlig– aber nur momentan.
Graf Mich traf fast der Schlag.
Die in Weiß Niemand wird mich erkennen. Wer ahnt es denn schon, dass du überhaupt verheiratet bist?!
Graf Gottseidank!
Die in Weiß Lass das!
Graf Was hast du vor?
Die in Weiß Du hast mich auf deiner Burg wie eine Gefangene gehalten–
Graf Mit Recht!
Die in Weiß Mit was denn sonst?
Graf Wer hat es dir verraten?
Die in Weiß Der Bader.
Graf Was?! Der?!
Die in Weiß Ich ließ ihn nämlich mal auf die Burg kommen, damit er mir das Fieber nimmt, ich war so verkühlt und fühlte mich elend. Da erzählte er es, um mich zu erheitern– Und er hat mich auch erheitert, ich wurd’ sogar sofort gesund, denn ich sah sogleich, jetzt kannst du endlich verreisen, weit in die Welt hinaus!
Graf Und du hast ihm gedroht, wenn er dich nicht mitnimmt, alles zu verraten?
Die in Weiß Es war nicht fein. Aber fünf Jahre Kerker–
Graf Kerker?
Die in Weiß Du hast mich auf deiner Burg wie eine Gefangene gehalten– Still! Eine Gefangene, ohne Liebe, ohne Freude, ohne einen Kreuzer Geld! Ich konnt ja nirgendhin, musst immer bleiben, bleiben, bleiben! Und die Welt wurd mir immer weiter, aber in der Nacht kamen die Sternlein zu mir.
Graf Du weißt, ich bin nicht schuld.
Erzählerin Ich denke, das müssen wir jetzt erst einmal etwas aufdröseln. Also:
Unser guter Herr Graf von Hermannstadt ist der festen Überzeugung, dass er mit einer Frau lebe, deren Familie verflucht ist. Sie habe ihm den Fluch ins Haus gebracht und da sie es ihm erst nach der Hochzeit sagte, seien sie nun aneinandergekettet vor Gott.
Seit sie seine Frau geworden ist, geht angeblich alles krumm. Entweder regnet es im Sommer, alles verfault, oder die Dürre verbrennt Feld und Flur. Am ersten gemeinsamen Hochzeitstage hielt die Pest ihren Einzug in Hermannstadt, und am Geburtstag der Gräfin überfielen die Horden des Sultans die Lande–
Und in einem Anfall männlicher Ignoranz ist er dann nun mal zu einem Schluss gekommen, und denkt auch nun, dass diese Sache mit dem Muster natürlich auch zum Scheitern verurteilt ist, wenn sie dabei ist–
Dass unsere Gräfin vielleicht auch einfach nicht Schuld an der Pest ist, oder dass der Sultan auch ohne ihren Geburtstag angegriffen hätte, kommt dem werten Herrn Graf natürlich nicht in den Sinn.
Schließlich ist sie eine Frau, deren Tante als Hexe verbrannt wurde! Deren Großvater mütterlicherseits mit „Satansrezepten Gold kochte”, und deren Onkel man beide Ohren abschnitt, weil er behauptete, die Erde drehe sich um die Sonne!
Ja, ihr könnt es euch wahrscheinlich denken.
Graf Warum bin ich denn nie zuhaus’, warum betrink ich mich jeden Tag, warum verspiel’ ich denn alles?!
Die in Weiß Oh, wie oft hab ich schon bereut
Graf Am Tag nach der Hochzeit hast du es mir gestanden.
Die in Weiß Du hättest mich nie geheiratet.
Graf Allerdings.
Graf Dass ich dich so blind heiratete, dass ich dich liebte, ohne zu fragen– das war dein Werk. Du hast mich behext.
Die in Weiß Willst du mich auch noch auf den Scheiterhaufen bringen?
Eine Viertelstund bevor ich zum König soll!
Graf Hoffentlich bringst du dem König kein Unheil.
Die in Weiß Hoffentlich. Ich möcht’ ihn nur gern kennenlernen, ich hätt’ ihm gar manches zu berichten.
Graf Was denn?
Die in Weiß Nichts über uns speziell– nur eben so manches, wovon er wahrscheinlich noch nie etwas hörte.
Graf Das gibt es nicht.
Die in Weiß Oh, doch! Der König ist nur von Männern umgeben, Männer regieren, und davon, was ich ihm erzählen möcht’, davon wisst ihr nichts.
Graf Was willst du ihm denn erzählen?
Die in Weiß Etwas vom Schicksal der Frauen in seinem Reich.
Szene 5
Die in Blau Sie kommen, sie kommen!
Die in Rot Sie blasen bereits!
Die in Blau Wie kommt denn da ein Mann ins Zimmer? Skandal! Ein fremder Mann!
Die in Weiß Darf ich vorstellen: dieser fremde Mann ist unser gnädiger Herr, der Graf von Hermannstadt.
Die in Blau Oh!
Die in Weiß Das ist die Braut des Wirtes vom »Einhorn«, eine Jägerstochter aus Rotkirchen– Und das ist eine Kürschnermeisterswitwe aus Kronstadt–
Die in Rot Kannst es ihm ruhig sagen, wer ich bin, der Bader hat mir schon Vorwürfe gemacht, dass er mich erkannt hat!
Die in Weiß Erkannt? Ihr kennt euch?
Die in Rot Schon gar nicht mehr wahr!
Graf Darf ich mich jetzt empfehlen–
Bader Ist er weg?
Graf Noch nicht.
Also auf Wiedersehen beim König– Wiedersehen!
Die in Rot Lass dich nur mit dem nicht ein! Der ist gefährlich.
Die in Weiß So?
Die in Rot Er soll mal ein netter Bursch gewesen sein, aber seit er geheiratet hat–
Die in Blau Er ist verheiratet?
Die in Rot Heimlich, ganz heimlich nur, aber mir hat ers erzählt. Die Tante seiner Frau hat ein Verhältnis mit dem Teufel gehabt und seit dieser Zeit liebt der Graf seelisch kein Weib mehr. Er gebraucht uns nur.
Die in Blau Armer Graf!
Die in Weiß Wieso arm?
Die in Blau Wenn er die Liebe nicht kennt– und dabei sieht er so gut aus.
Die in Rot Besser schon, wie dein Thomas.
Die in Blau Red nicht immer über meinen Bräutigam! Ich glaub schon, du willst ihn mir wegschnappen!
Die in Rot Blöde Urschel!
Szene 6
Hofwirt Der Wagen ist da!
Die in Blau Oh! Da reitens ja auch! Berittene, Berittene!
Die in Rot Kavallerie!
Die in Blau Husaren!
Die in Rot Meine Lieblingssoldaten!
Bader Ist er weg?
Die in Weiß Schon lang.
Bader Also dann hurtig, hurtig! Weg dort vom Fenster! Ziehts euch fertig an– los, los! Großer Gott!
Die in Blau Sechs Schimmel ziehen die Equipage– und es ist Gold und Glas!
Die in Rot Und Husaren, Husaren! Ein komplettes Fähnlein!
Bader Also das ist ein Märchen!
Die in Weiß Vielleicht!
Fünftes Bild
Szene 1
Matthias Die Damen scheinen sich zu verspäten.
Hofbeamter Weiber lassen sogar einen König warten.
Matthias Sag mal: Fiel es dir auch auf, wie nervös heut dieser Graf war?
Seit wann ist er denn herzkrank?
Hofbeamter Ich glaub’s auch, das war ein Schwindel. Er hat doch durch die Tür nach seinem Muster geschaut und da wird er halt wahrscheinlich eine bemerkt haben, die ihn peinlich erinnert, vielleicht hat er sie mal gezwungen dazu–
Matthias Gezwungen?
Hofbeamter Es sind doch seine Leibeigenen.
Matthias Ah so–
Hofbeamter Die müssen parieren.
Matthias Ich stelle mit Genugtuung fest, dass der Graf auch noch nicht erschienen ist.
Hofbeamter Dass er es heut nicht begriffen hat, dass wir ihn nicht dabei haben möchten– Majestät hätten es ihm direkt sagen müssen, dass er nicht herauskommen soll.
Matthias Das kann ich nicht.
Hofbeamter Dann sags ich ihm, wie er kommt, dass er gleich wieder gehen soll–
Matthias Nein, nein, das sieht ja ganz dumm aus! Lassen wir ihn schon da!
Hofbeamter Apropos dumm: wer hat es eigentlich angeordnet, dass dieses Muster mit sechs Schimmeln und Husaren abgeholt wird?
Matthias Ich.
Hofbeamter Ihr?!
Matthias Ja. Warum?
Hofbeamter Nichts. Ich fragte nur so.
Matthias So red doch.
Hofbeamter Es ist wirklich nichts, Majestät.
Matthias Jetzt befehl ich es dir, dass du sprichst! Sofort! Los!
Hofbeamter Also, wenn Ihr es mit Gewalt hören wollt: ich wollt mir nur zu bemerken erlauben, dass ich die sechs Schimmel nicht versteh–
Matthias Wieso? Ich wollt den Frauen eine Freude machen!
Hofbeamter Ich wollt mir ja nur zu bemerken erlauben, man hätte diesen ganzen Transport auch etwas weniger auffällig arrangieren können
Matthias Du hast Recht. Wenn das Muster jetzt nicht bald kommt, dann essen wir allein und gute Nacht!
Hofbeamter Aber Majestät werden sich doch nicht die Laune–
Matthias Reden wir von etwas anderem!
Hofbeamter Ist es wahr, dass Ihr bei der letzten Hatz allein vier Eber erjagtet?
Matthias Fünf.
Hofbeamter Kolossal!
Matthias Ja.
Hofbeamter Euere neuen Doggen sind herrlich. Besonders die Hündinnen–
Matthias Sag mal, welche gefällt dir am besten?
Hofbeamter Die Gefleckte.
Matthias Bist du irr?
Matthias Ich frage dich, welche von den Weibern aus Selischtje dir am besten gefällt, und du antwortest: die Gefleckte!
Hofbeamter Ach so.
Matthias Na, welche gefällt dir?
Hofbeamter Alle drei.
Matthias Da bin ich bescheidener. Am besten gefällt mir– Rat mal!
Hofbeamter Die in Weiß?
Matthias Nein, die in Rot!
Hofbeamter So?
Matthias Sie hat so etwas herrlich Selbstbewusstes– ich liebe Frauen, die wissen, was sie sind!
Hofbeamter Also diese Die in Rot, die wirds sicher schon wissen, aber ich weiß nicht–
Matthias Sag mal: wie soll sich denn das jetzt eigentlich alles abwickeln? Ich meine, also wenn jetzt die Drei kommen–
Hofbeamter Ich habs mir folgendermaßen gedacht: zuerst essen wir.
Matthias Richtig.
Hofbeamter Dabei trinken wir schon Wein und dadurch wird ganz von allein alles angeregter. Dann überreichen wir den Damen die kleinen Präsente und etwas Dachsenfranz–
Matthias Eigentlich ist es mir unangenehm–
Hofbeamter Was?
Matthias Diese ganze Affäre. Seine Majestät, der König, erobern ein Weib.
Hofbeamter Was soll denn da dabei sein?
Matthias Diese Frauen aus Selischtje sind doch genau genommen meine Gäste, ich müsste sie ja beschützen, anstatt– Nein, ritterlich ist es nicht, unser Benehmen! Man müsst’ auch den freien Willen des Weibes achten. Zu einem ehrlichen Kauf gehört ein Käufer und ein Verkäufer, zum Rauben allerdings nur ein Räuber.
Hofbeamter Ihr macht Euch sonderbare Gewissensbisse. Jedes Weib würde sich hochgeehrt fühlen–
Matthias Aber ich fühle mich nicht hochgeehrt! Am liebsten wär’s mir, ich könnt inkognito kommen–
Hofbeamter Theoretisch ging’s.
Matthias Ich komm’ als Euer Adjutant.
Hofbeamter Ob Ihr aber als Adjutant in der Praxis prompte Erfolge haben–
Matthias Was heißt das?
Hofbeamter Oh pardon!
Matthias Du denkst– Hm. Schon möglich, dass ich nicht direkt überzeugend wirk’–
Erzählerin Die Damen aus Selischtje fahren soeben vor!
Matthias Geh jetzt nur allein hinein–
Iss nur artig mit den Damen und sag ihnen, der König hat eine Konferenz, er kommt etwas später– geh!
Szene 2
Matthias Halt!
Thomas Himmel, tu dich auf!
Matthias Winsel nicht! Was hast du hier verloren?
Thomas Meine Braut, Herr! Meine Braut!
Matthias Deine Braut?
Thomas Da drinnen!
Erzählerin: Dort drin nachtmahlt sie gerade mit dem König!
Thomas Tut mir nichts, edler Herr, Ihr habt doch sicher auch schon geliebt und habt es gefühlt, wie das brennt!
Matthias Das muss anscheinend sehr brennen.
Thomas Der König ist zwar ein gerechter Mann, aber wie kann er einem so was antun!
Matthias Sei beruhigt: da drinnen passiert nichts.
Thomas Nichts?! Wenn ein König mit einem armen Mädchen–
Matthias Er lässt auch einen armen Menschen an seinem Tische sitzen.
Thomas Besonders wenn er einen Unterrock anhat.
Matthias Du hast eine scharfe Zunge.
Matthias Also die Eine ist deine Braut?
Thomas Ja.
Matthias Hm. Ich dachte, Selischtje ist ein Dorf ohne Männer?
Thomas Ah was Selischtje!
Thomas Ich bitt Euch, lasst mich mal durch die Tür dort hineinschauen, nur einen einzigen Blick–
Matthias Ausgeschlossen! Der König hats verboten.
Thomas Er muss es ja nicht erfahren.
Szene 3
Matthias Weg! Es kommt wer! Wir sprechen uns noch!
Bader Ah, meine Hochachtung! Wir kennen uns doch vom Statthalter her, Ihr seid doch seine Schreiberseel oder so–
Matthias Sein Ratgeber.
Bader Auch ein Beruf! Hört mal: Ist Euer Herr, dieser besagte Statthalter, immer so neidig?
Matthias Wieso?
Bader Kaum sitzen wir beim Essen, schickt er mich schon heraus– er möcht mit den drei Weibern allein sein! Kapazität! Ich mach mir schon Sorgen, wenn der König sich noch lang verspätet– der da drin ramponiert mir noch meine mühsam zusammengeklaubte Kollektion!
Matthias Kollektion? Zusammengeklaubt?
Bader No ja, man sagt das halt so.
Matthias Sagt mal: Es ist mir zuvor ein eigentümlicher Gedanke gekommen: Sind diese Frauen wirklich aus Selischtje?
Bader Im Durchschnitt, ja.
Matthias Und die Zuhausegebliebenen sind auch alle so schön?
Bader Im Durchschnitt, ja.
Matthias Dann gratulier’ ich Euch. Denn, wer den König betrügt, verliert den Kopf.
Bader Großer Gott!
Spazieren.
Matthias Habt Ihr denn keinen Hunger?
Bader No, mir ist der Appetit ein bisserl vergangen–
Matthias Geht jetzt nur trotzdem schön hinein und esst etwas.
Bader Aber er lässt mich ja nicht, Euer Herr!
Matthias Sagt ihm, ich schick Euch. Er hört auf mich.
Bader Schön. Ein bisserl ein Milchreis könnt einem alten Mann nix schaden–
Szene 4
Matthias Hallo! Bist du noch da?
Thomas Natürlich!
Matthias Komm!
Thomas Wer seid Ihr eigentlich? Türsteher, was?
Matthias Auch das.
Thomas Ihr kommt mir plötzlich so bekannt vor.
Matthias Ich seh dem König etwas ähnlich.
Thomas Dem? Der ist doch ein untersetztes Bürscherl und den Kopf hält er immer ein bisserl so schief– Nein, dem seht Ihr nicht ähnlich! Ihr seid viel stattlicher!
Matthias Das freut mich! Pass auf, du willst also, dass deiner Braut nichts passiert?
Thomas Das will ich, meiner Seel!
Matthias Gut, ich werde dir helfen– ich garantier’ dir sogar, dass ihr nichts passiert!
Thomas Wirklich?
Matthias Nicht so laut!
Thomas Ich werd mich auch revanchieren– da, da haben’s einen Gulden! Wir sind ja nicht so!
Matthias Danke–
Thomas Ich bin nämlich der Wirt vom »Einhorn« und wenn Ihr mal nach Hermannstadt kommt, dann besucht mich nur, Ihr seid mein Gast. Wir sind ein ehrenwertes Haus. Ihr sollt es nicht bereuen, dass Ihr meine ärmste Braut beschützen wollt!
Matthias Die Ärmste wird beschützt– allerdings unter einer Bedingung.
Thomas Bedingung? Ihr habt doch schon einen Gulden bekommen!
Matthias Das war nur Trinkgeld.
Thomas Trinkgeld? Ein Gulden?! Mit einem Gulden, Herr, da hab’ ich schon ganz andere Leut bestochen! Da könnt ich erzählen, wenn’s Euch interessiert!
Matthias Das interessiert mich sogar sehr. Das musst du mir mal alles genau erzählen– doch nun pass auf: ich werde über deine Braut wachen, auf Leben und Tod, wenn du mir jetzt ehrlich antwortest: Sind diese drei Frauen aus Selischtje oder nicht?
Thomas Das ist eine verzwickte Frage–
Matthias Sie sind also nicht aus Selischtje?
Dacht ich mirs doch!
Thomas Die Wahrheit wächst im Himmel, doch die Wurzeln der Lüge gedeihen alle so um das Haus herum und der Teufel schleppt noch den Dünger herbei. Diese drei Frauen sind so wenig aus Selischtje wie dort drüben der Springbrunnen. Die in Blau ist meine Braut–
Matthias Die in Blau?
Thomas Die Schönste!
Sie ist aus Rotkirchen, und die in Rot ist aus Kronstadt und die in Weiß ist auch irgendwoher– Aber ich bitt Euch, verratet es keiner Seele, dass ichs Euch verraten hab! Ich wurd ja nur wegen meiner Braut zum Verräter.
Matthias Wenn das der König erfährt–
Thomas Ah, das war mir wurscht! Wenn’s nur der Graf nicht erfährt! Der ist imstand und vierteilt mich!
Matthias Der Herr Graf haben also seinen König betrogen, damit er die männlichen Arbeitskräfte bekommt–
Szene 5
Matthias Weg!
Thomas Wiedersehen in Hermannstadt!
Matthias Auf Wiedersehen! Wiedersehen!
Hofbeamter Mit wem habt Ihr denn jetzt gesprochen?
Matthias Nur mit mir selbst.
Hofbeamter Ich wollt mir nur erlauben zu fragen, wann Majestät hereinkommen, wir halten bereits beim Dessert–
Matthias Ich brauch kein Dessert! Am liebsten würd ich jetzt da hinein und alles kurz und klein schlagen! Eine solche Niedertracht! Mir das anzutun! Dieser Bursche gehört ja geköpft, geköpft!
Hofbeamter Majestät! Welcher Bursche, um Gottes Willen?!
Matthias Und diese Weiber gehören in Ketten gelegt und hinausgeschmissen!
Hofbeamter Majestät, mir scheint, es ist Euch nicht ganz wohl– Ihr habt Euch hier draußen verkühlt und fiebert–
Matthias Ich fiebere nicht! Wohl ist’s mir allerdings auch nicht! Aber es ist wahr: diese armen Weiber können ja nichts dafür– sie wurden ja »zusammengeklaubt«, zusammengepresst durch List, Betrug, Willkür! Zusammengefangen, wie das liebe Vieh!
Hofbeamter Zusammengefangen?!
Matthias Ja, um abgestochen zu werden!
Hofbeamter Abgestochen?! Majestät, ich werd verrückt!
Matthias Das glaub ich dir gern! Lass mich allein! Glotz mich nicht so geistvoll an! Geh, und mach mit diesem Muster, was dir beliebt– das heißt: mit einer Ausnahme! Wenn du die anrührst, lass ich dich auch köpfen!
Hofbeamter Welche? Die in Rot?
Matthias Falsch! Die in Blau!
Hofbeamter Die in Blau? Außerdem bin ich ja grad–
Matthias Du wirst bei dieser in Blau nirgends grad sein, verstanden? Schick sie heraus! Auf der Stell! Heraus damit!
Matthias Männer will er von mir haben, der Herr Graf von Hermannstadt? Männer– Gut, er soll erhalten, was er verlangt. Aber ich will ihm eine solche Sorge an den Hals hängen, dass Herr Graf zeitlebens daran denken werden–
Szene 6
Matthias Hierher!
Die in Blau Was wollt Ihr?
Die in Weiß Ach, Ihr habt uns rufen lassen?
Matthias Euch hab ich nicht rufen lassen!
Die in Weiß Ich bin nur mit, weil meine Freundin Angst hatte–
Die in Blau Man schickt mich in die Nacht hinaus–
Die in Weiß Wenn Ihr einer von uns was zu sagen habt, warum kommt Ihr nicht herein? Warum sollen wir hinein? Ihr seid doch dem Statthalter sein Ratgeber, nicht?
Matthias Ja.
Die in Weiß Ich hab Euch gleich erkannt.
Matthias Komm! Wir beißen dir nichts ab–
Matthias Ein Mann will dich haben–
Die in Blau Heiliger Himmel!
Matthias Kreisch nicht! Ich hab es deinem Bräutigam versprochen, dass ich über dich wachen werde. Schau hin! Dort steht er! Dort hinter dem Baum!
Die in Blau Thomas!
Matthias Geh hin und ab! Was hast denn?
Die in Blau Angst.
Matthias Vor wem denn?
Die in Blau Vor dem König. Wenn der jetzt kommt und ich bin nicht da–
Matthias Hast Angst vor dem König?. Schau, diesen Gulden, da ist sein Bild droben– sieht er denn so grausam aus?
Die in Blau Nein, das nicht– Majestät! Majestät!–
Matthias Nicht knien! Das vertrag ich nicht! Lauf nur jetzt zu deinem Bräutigam, gib ihm diesen Gulden und einen schönen Gruß von mir, er solls nur ja nie wieder wagen, derartige Trinkgelder zu verteilen! Diesmal hat er ja noch Glück gehabt, dass er nur seinen eigenen König bestochen hat– Geh! Lauf zu!
Die in Blau Aber wie kommen wir durch die Wachen?
Matthias Dort ist ein Hintertürl! Marsch!
Die in Blau Thomas! Thomas!
Szene 7
Die in Weiß Glaubt Ihr, dass der König noch kommt?
Matthias Kaum!
Die in Weiß Das war aber nicht schön von ihm, uns sitzen zu lassen–
Matthias Er hat halt zu tun. Denkt nur an Krieg, Gewalt.
Die in Weiß Weiß der König, dass es im Abendland ein Gesetz gibt, dass der Mann die Frau züchtigen darf, dass aber die Frau bestraft wird, wenn sie den Mann schlägt?
Matthias Das ist nicht wahr!
Die in Weiß Doch, doch! Seht nur mal nach! Weiß der König, dass es Frauen in seinem Reiche viel schwerer haben als die Männer? Denn die Frau hat nur einen Beruf: das ist der Mann! Und was ist der Kampf der Männer gegen die Türken im Vergleich zu dem Kampf der armen Frauen untereinander um die Männer, bei denen jede Frau jedesmal dem Tod begegnet, wenn sie ihm das Leben gibt. Weiß der König, wie die Männer uns das danken?
Matthias Sagt mal: Welcher Mann hat Euch das alles erzählt?
Die in Weiß Diese Frage hab ich erwartet, aber ich muss Euch leider enttäuschen: ich habe selber darüber nachgedacht– Wenn man jahrelang allein ist, dann fängt man an–
Matthias Ihr seid allein?
Die in Weiß Ja und nein.
Matthias Was heißt das?
Die in Weiß Theoretisch bin ich zu zweit, in der Praxis aber allein.
Matthias Aha! Ihr seid unglücklich verliebt?
Die in Weiß Ja.
Matthias Eigentlich ist man immer allein.
Die in Weiß Oho.
Matthias Ich war immer allein.
Die in Weiß Dann habt Ihr noch nie richtig geliebt–
Matthias Dazu braucht man Zeit.
Die in Weiß Nicht nur das.
Matthias Wer seid Ihr?
Die in Weiß Ich bin sogar verheiratet.
Matthias Ich dachte, in Selischtje gibt es keine Männer–
Die in Weiß Ich weiß schon, dass Ihr den Schwindel durchschaut habt, der Bader hat mich bereits gewarnt!
Matthias Was für ein Bader?
Die in Weiß Der Alte, der sich hier als Präfekt ausgegeben hat.
Matthias Das wird ja immer schöner! Ein Bader?!
Die in Weiß Manchmal kommt man ohne einen kleinen Betrug nicht dazu, die Wahrheit zu sagen. Wie ich den König sehe, sag ichs ihm sogleich, dass ich nicht aus Selischtje bin– ich will ihn nämlich nicht betrügen.
Matthias Warum nicht?
Die in Weiß Weil er mir gefällt.
Matthias Ihr kennt den König?
Die in Weiß Ja. Das heißt: persönlich nicht, aber von vielen Bildern–
Matthias Und wie gefällt er Euch?
Die in Weiß Sehr.
Matthias Hat er nicht zu lange Ohren?
Die in Weiß Oh nein! Immer sieht er so ernst drein, auch ein bisschen traurig– und doch ist er nur ein Lausbub. Er muss sehr gescheit sein–
Matthias Hoffentlich!
Die in Weiß Sicher.
Matthias Ich muss Euch nun etwas sagen, aber nicht erschrecken und nicht böse sein–
Die in Weiß Was?
Matthias Aber nicht böse sein, ja?
Die in Weiß Nein. Nie.
Matthias Ich bin der König.
Die in Weiß Warum soll ich da böse sein? Ich wusst es ja schon längst–
Matthias Ihr wusstet es?
Die in Weiß Schon Mittag – ich hab Euch gleich erkannt. Von den Bildern, die bei mir hängen. Und so seid Ihr auch. Ich kenne Euch genau.
Szene 8
Matthias Ach, unser Graf von Hermannstadt!
Graf Majestät–
Matthias Du kommst spät. Wir haben dich nicht mehr erwartet.
Graf Ich wollte auch nicht kommen, aber dann war es mir doch, als müsst’ ich mal nachsehen, es ist doch schließlich mein Muster–
Matthias Was fehlt dir denn? Du bist ja ganz weiß–
Graf Nichts, Majestät– es ist nur das Herz. Manchmal hörts auf–
Matthias Schon wieder?
Die in Weiß Ja.
Matthias Nun, Graf von Hermannstadt, Wir halten Unser Wort: Wir werden dreihundert der tüchtigsten Männer in Selischtje ansiedeln,. Wir werden im Herbst Selischtje besuchen, um dort zu jagen und Uns die zuhausegebliebenen Frauen anzusehen. Wenn sie in puncto Schönheit nicht aus demselben Neste kommen, wie die Uns Gesandten, verlierst du deinen Kopf.
Die in Weiß Majestät!
Matthias Ich hoffe, du hast mich verstanden–
Die in Weiß Ihr könnt ihm doch nicht den Kopf–
Matthias Was habt Ihr denn beide miteinander?
Graf Nichts.
Matthias Sie ist doch deine Leibeigene?
Die in Weiß Ja.
Graf Sie ist eine Hexe.
Matthias Was sagst du? Hexe?
Graf Ihr Auge ist süß und herb– sie lächelt in der Sonne und sehnt sich nach ewiger Nacht. Sie bringt Unheil, nur Unheil–
Matthias Unheil?
Was macht denn die in Rot?
Erzählerin Die– die ist verschwunden, Majestät. Mit Seiner Exzellenz–
Matthias Ahso.
Erzählerin Majestät–
Matthias Was gibt’s?
Erzählerin Majestät, der alte Herr, der mit den Damen aus Selischtje gekommen ist, der ist auch verschwunden, wollt’ ich nur untertänigst melden.
Matthias Wohin?
Erzählerin Fort. In größter Eile, Majestät! Es sah fast aus wie eine Flucht–
Matthias Aha! Wer ist denn noch bei der in Weiß?
Erzählerin Niemand, Majestät. Die Dame sitzt allein im Zimmer.
Matthias Allein?
Sechstes Bild
Szene 1
Hofwirt Man hat mich grad geweckt, Ihr seid schon zurück– Wie wars denn beim König? Was hat sich denn getan?
Bader Getan hat sich allerlei–
Hofwirt Was hat denn der König gesagt?
Bader Garnichts hat er gesagt.
Hofwirt Wie soll ich das verstehen? Sprecht! Werdet deutlicher!
Bader Schön, dann werd ich deutlicher! Der König war garnicht da.
Hofwirt Garnicht da?!
Bader Wann fährt die nächste Post?
Hofwirt Wohin?
Bader Nach Hermannstadt.
Hofwirt Ihr wollt auch bereits retour?
Bader Wieso auch?
Hofwirt Weil schon zwei nach Hermannstadt fahren, aber die sind derart verliebt ineinander, dass man nichts aus ihnen herausquetschen kann– die sehen und hören nur sich–
Bader Von mir aus!
Hofwirt Wenn Ihr wüsstet wer die Beiden sind–
Bader Mir ist das wurscht!
Hofwirt Ich täts Euch ja gern erzählen–
Bader Es interessiert mich nicht, Herr! Ich hab jetzt andere Sorgen!
Die in Rot Servus, Majestät!
Bader Großer Gott!
Hofwirt Ah, Küssdiehand, Gnädigste, ergebenster Diener, meine Verehrung.
Die in Rot Servus, servus! Püh, hab ich müde Füß’–
Bader Eine Frau soll nie sagen, dass sie müde Füß’ hat. Weil das desillusioniert.
Die in Rot Die Illusion ist ein schwankendes Rohr im Winde– Der Herr Statthalter haben mich hergefahren. Ein netter Mensch, ein flotter Gesellschafter und sehr belesen! Aber ein bisserl geizig–
Bader Benimm dich! Also seiens so gut und beschaffens mir einen Postplatz nach Hermannstadt, Raucher, Fenstersitz, in der Fahrtrichtung–
Aber express, express, express!
Hofwirt Was schreiens mich denn so an?!
Bader Weil ich nervös bin!
Hofwirt Adieu! Szene 2 Bader, Die in Rot
Bader Sie hauens da keine Türen zu, Sie sind nicht bei mir zuhaus!– Auch ein Hotelier!
Die in Rot Du fährst schon retour?
Bader Wir sind nicht per du.
Die in Rot Kusch.
Bader Wieviel haben wir denn getrunken?
Die in Rot Zirka zwei Liter.
Bader Dann sei’s dir verziehen.
Die in Rot Ich fahr aber noch nicht retour. Morgen bin ich nämlich wieder mit dem Statthalter verabredet, er lässt mich in einer Sänfte abholen, hat er gesagt– er soll mir lieber drei Gulden schenken, was hat man schon von einer Sänfte? Man sitzt drin und das ist alles. Er will mir seine türkischen Degen zeigen, aus Damaskus. Er sagt, er war der größte Privatsammler. Eigentlich ist er ein ordinärer Mensch. Da ist mir ja der Graf noch lieber, der hat wenigstens etwas Gefährliches–
Bader Ich hab mir jetzt was überlegt. Du stehst mir von Euch drei am nächsten, schon rein beruflich– also hör her: lass den Statthalter Statthalter sein, bleib nicht hier, sondern hau ab, und zwar hurtig!
Die in Rot Warum?
Bader Weil es sich herausgestellt hat, dass das Muster nicht aus Selischtje ist. Ich hab mit diesem Ratgeber gesprochen und ich lass mir die Händ’ abhacken, wenn dieser Bursche nicht alles weiß! Hau ab! Ich mein das jetzt direkt väterlich!
Die in Rot Wohin? Nach Hermannstadt?
Bader Aber keine Idee! Ich hab doch zuvor das Billett nur bestellt, damit ich die Häscher auf eine falsche Spur lock! Ich fahr’ in die Türkei– und, weißt’ was? Fahr mit!
Die in Rot In die Türkei?
Bader Was hast du denn hier schon verloren? Man sperrt dich ein, schneidet dir die Haar ab, man stellt dich an den Pranger und spuckt dir ins Gesicht– ein so begabtes Kind! Wirst sehen, in der Türkei machen wir beide unser Glück. Wir ergänzen uns ja, ich werd dich offerieren und bring’ dich garantiert in einen glänzenden Harem hinein und schon haben wir beide ausgesorgt!
Die in Rot Du im Harem?
Szene 3
Bader Schauens mich nicht so an, Herr Graf! Ich bitt Sie nur, machens lieber kurzen Prozess und bringens mich gleich um!
Graf Ich bin jetzt zu müde.– Stundenlang irr ich schon herum– ich find und find keinen Ausweg mehr. Mein Kopf, mein Kopf!
Die in Rot Tut er Euch weh, Herr Graf?
Graf Das auch.
Die in Rot Dann hol ich ein Pulver–
Graf Danke, danke! Er soll mir ruhig wehtun. Jetzt soll er noch machen, was er will. Ich hab ihn eh nimmer lang–
Bader Herr Graf!
Graf Du halt den Mund. Dir passiert nichts. Dieser König pflegt ja immer nur den Kopf zu bestrafen, das Hirn–. Jaja, die kleinen Diebe lässt er laufen und die großen hängt er auf. Er liebt uns halt nicht, uns Aristokraten–
Bader Der König wird mir nichts tun?
Graf Nein. Aber ich.
Die in Rot Geh, Herr Graf, seiens doch nicht immer gleich derart pessimistisch!
Graf Hast Recht– ich hab ja allen Grund, um befriedigt zu sein! Sieg auf ganzer Linie! Seine Majestät, der König, geben dem Grafen von Hermannstadt dreihundert tüchtige Männer!
Bader Na also!
Graf Aber Seine Majestät wollen diese Männer höchstpersönlich nach Selischtje bringen, um sich höchstpersönlich zu überzeugen, ob die dreihundert Damen von Selischtje so schön sind, wie mein Muster es ist. Sind sie’s nicht, verlier ich meinen Kopf.
Bader Krach in die Melone!
Graf Er hats mir selber gesagt.
Die in Rot Ihren Kopf?!
Bader Ich wunder mich nur, wieso hat mich heut noch nicht der Schlag getroffen–
Graf Wohin?
Bader Bin gleich wieder da–
Szene 4
Die in Rot Jetzt müsst Ihr fliehen?
Graf Vertrieben von Haus und Hof–
Ich kann ohne Geld nicht leben.
Die in Rot Das kann niemand.
Graf Wie verdient man Geld?
Die in Rot Mit oder ohne Arbeit?
Graf Ohne.
Die in Rot Verlass dich auf mich.
Die in Rot Du liegst auf der Straße?
Graf Ja.
Die in Rot Dann bleib ich bei dir. Was zeichnest da?
Graf Kreise.
Die in Rot Eigentlich hast du mir immer gefallen und ich habs mir immer heimlich gewünscht, wenn er nur nichts hätt, wenn er nur nichts wär, wenn er nur ganz zugrund gehen würd– dann würd er mir nämlich erhalten bleiben.
Graf Das hast du dir gewünscht?
Die in Rot Ja.
Graf Das ist lieb von dir.
Die in Rot Komisch. Jetzt ists mir, als hätt ich uns hier schon mal sitzen gesehen– Komm, gib mir einen Kuss. Ich küss nämlich sonst garnicht gern–
Szene 5
Bader Thomas!
Thomas Da schreist, was?! Habe die Ehre, Herr Graf! Auf nach Hermannstadt! In drei Wochen ist Hochzeit!
Die in Blau Der König hats uns erlaubt!
Bader Wer hats Euch erlaubt?!
Die in Blau Seine Majestät, Matthias Corvinus, König von Ungarn!
Thomas Ja, ich hab ihn bestochen
Die in Rot Bestochen?
Die in Blau Mit einem Gulden.
Bader Mit nur so wenig?! Wo, wo habt Ihr denn den König bestochen, wollt sagen: getroffen?
Thomas Draußen im Schloss.
Bader Der war draußen?!
Die in Blau Ihr habt ja auch mit ihm gesprochen!
Bader Ich?!
Die in Blau Auf der Terrasse. Der König war niemand anderer als dieser Ratgeber–
Bader Dieser?! Jener?! Jetzt häng ich mich auf!
Die in Rot Das war der König?!
Thomas Ja.
Die in Rot Wenn ich das gewusst hätt’!
Bader Er hat mir noch gesagt: »Wer den König betrügt, der verliert den Kopf«– Schauts hinaus, nicht dass die Häscher schon nahen–
Die in Blau Aber der König nimmts doch nicht so tragisch! Er ist ein gerechter Mann–
Thomas Komm! Höchste Zeit, sonst verpassen wir noch unsere eigene Hochzeit!
Habe die Ehre, Herr Graf! Zum Bader und zu der in Rot. Auf Wiedersehen in Siebenbürgen!
Szene 6
Die in Rot Wenn ich das gewusst hätt!
Bader Was?
Die in Rot dass dieses Bürscherl er selber ist! Dann hätt ich mich doch nicht mit dem Statthalter abgegeben, sondern gleich mit ihm selber– so ein Pech! Jetzt hat sie ihn.
Bader Wer?
Die in Rot Sie ist mit ihm auf einer Bank gesessen, im Mondschein– Hand in Hand. Ich habs deutlich gesehen vom ersten Stock und hab mir noch gedacht, da schau her, die gibt sich mit einem Schreiber ab, wo ich einen Statthalter hab! Ich war noch stolz, recht geschiehts mir!
Graf Mit wem ist der König auf der Bank gesessen?
Die in Rot Na mit der in Weiß!
Bader Das ist zuviel.
Ich bitt Sie, bringens mich aber jetzt endlich auf der Stell um, ja?! Nur nicht wieder verschieben, meine Nerven halten das nicht mehr aus!
Die in Rot Was hat er denn?
Graf Lass mich in Ruh!
Die in Rot Wer ist denn eigentlich diese Die in Weiß Person? Zu uns gehört sie mal sicher nicht, aber raffiniert ist die für zwölfe! Ich täts auch beschwören, sie hat es schon vorher gewusst, dass dieses Bürscherl der König ist!
Graf Sie saß auf der Bank?
Die in Rot Ja.
Graf Mit dem König?
Die in Rot Ja.
Graf Und?
Die in Rot Und– no und: nichts. Eigentlich war nichts–
Graf Eigentlich–
Die in Rot Was habt Ihr denn mit der in Weiß, dass Ihr so aus dem Häusel seid?
Graf Sags ihr!
Bader Ich kann nicht mehr.
Graf Sie ist meine Frau.
Die in Rot Frau?! Euere Frau?! Die Gräfin von Hermannstadt?! Ujjegerl!
Bader Kreisch nicht!
Die in Rot Ich sags ja immer: man lernt nicht aus, man lernt nicht aus! Eine Gräfin von Hermannstadt! Armer Herr Graf!
Graf Bemitleid mich nicht!
Die in Rot Nanana! Gar so von oben herab–
Bader Das Beste ist, Herr Graf, Ihr geht, wies Tag wird, zum ersten nächsten Advokaten und lasst Euere Ehe für ungültig–
Graf Hier wird nichts für ungültig erklärt, nichts, nichts! Nein, das lass ich nicht zu! Und wenn sie mir alles Unheil der Welt bringt, diesseits und jenseits–
Die in Rot Ihr seid besessen!
Graf Das wär kein Wunder!
Bader Wohin, großer Gott?!
Ein Narr, ein Narr! Rennt sich in sein Verderben!
Siebentes Bild
Szene 1
Erzählerin Seit Stunden steckt unser junger König nun mit der Gräfin im Park. Jaja, es ist eine warme Nacht.
Doch währenddessen ist etwas Entsetzliches passiert. Ein Exzess! So tauchte doch vor zirka zehn Minuten hier plötzlich der Herr Graf von Hermannstadt auf und begehrt mit einem direkt irren Blick nach Seiner Majestät. Wir sagen, wir hätten keine Ahnung, wo sich Seine Majestät befände– da begehrt er nach jener Dame in Weiß. Wir sagen wieder, dass wir nichts wüssten– da zieht er den Degen–
Ich glaub, er ist verrückt geworden– Immer wieder hat er geschrien, er hätt sein Weib auf seiner Burg wie eine Gefangene gehalten, aber nur, um sie nicht zu verlieren–
Lauter ungereimtes Zeug! Sein Weib sei eine Hexe, aber er liebe sie trotzdem, er hätt sie ja immer geliebt und würde sie auch immer lieben, selbst noch in der Höll’, trotzdem sie nur Unheil brächt’, die Pest, den Krieg, den Tod etcetera– etcetera! Wir mussten Gewalt anwenden, die Wache hat ihn überwältigt– jetzt sitzt er im Keller.
Pst! Majestät–
Szene 2
Matthias Jetzt kommt bald die Sonne.
Die in Weiß Schön.
Matthias Wie heißt Ihr eigentlich mit dem Vornamen?
Die in Weiß Ist das so wichtig?
Matthias Ja.
Die in Weiß Ich sag ihn aber nicht. Weil er mir nicht gefällt.
Matthias Vielleicht gefällt er mir.
Die in Weiß Sicher nicht. Ich kenn ja Eueren Geschmack–
Matthias Wollt Ihr nicht bei mir bleiben?
Die in Weiß Ich sagt Euch doch schon, dass ich verheiratet–
Matthias Wir werden die Ehe für ungültig erklären lassen. Ich bin schon mit schwierigeren Dingen fertig geworden.
Die in Weiß Na!
Matthias Wer ist denn Euer Mann?
Die in Weiß Er kümmert sich nicht um mich.
Matthias Liebt Ihr ihn noch?
Die in Weiß Wenn er mich lieben würde–
Matthias Wer seid Ihr?
Die in Weiß Ihr werdet ihm doch nicht den Kopf nehmen?
Matthias Wem?
Die in Weiß Diesem Herrn Grafen von Hermannstadt.
Matthias Ich begreif’ es nicht, was kümmerts Euch? Jetzt fragt Ihr mich schon das vierte Mal!
Die in Weiß Einen Kopf zu verlieren, ist doch keine Kleinigkeit–
Matthias Er hat mich betrogen.
Die in Weiß Aber gleich dafür den Kopf zu nehmen, das wäre doch ein bisserl ungerecht. Der König ist doch ein christlicher Monarch– Mein Gott, man betrügt doch so leicht, und oft weiß mans garnicht–
Matthias Dieser Graf sagte vorhin, Ihr wäret eine Hexe–
Die in Weiß Ja, das sagt er immer. Immer gibt er mir alle Schuld.
Matthias Ich ahn es nicht, wer Ihr seid, ich fühl es nur, Ihr seid irgendwie gefährlich– verflucht gefährlich–
Die in Weiß Sagt das nicht! Nicht dieses Wort!
Matthias »Gefährlich«? Das ist bei mir ein Kompliment!
Die in Weiß Nein, das andere! Bitte, nicht–
Matthias Was hab ich denn noch gesagt? Weiß ich gar nicht mehr!
Die in Weiß Ihr habt gesagt: verflucht.
Matthias Na und?
Die in Weiß Es gibt Kinder der Sonne und Kinder der Nacht.
Matthias Ihr glaubt, dass es verfluchte Menschen gibt?
Die in Weiß Ich weiß es.
Matthias Wer könnt denn Euch verflucht haben!
Die in Weiß Mich persönlich niemand. Aber meine Familie–
Matthias Dann gehen wir doch gleich bis Adam und Eva–
Die in Weiß Macht keine Scherze!
Matthias Ich scherze nicht! Ich glaub so wenig an verfluchte Geschlechter, wie an Hexen!
Die in Weiß Ihr glaubt nicht, dass es Hexen gibt?
Matthias Nein. Ich bin ja nicht blöd.
Was denkt Ihr jetzt?
Die in Weiß Es steht jemand hinter der Tür und schaut uns zu.
Matthias Wer? Wo? Ach!
Erzählerin Gnade, Majestät.
Matthias Du spionierst?
Erzählerin Nein, um Gottes Willen, Majestät! Majestät, ich wollte ja nur gerade etwas Fürchterliches melden–
Matthias Was?!
Erzählerin Sehr wohl, Majestät!
Matthias Einen Augenblick!
Szene 3
Hofbeamter Wir hatten bereits das Vergnügen–
Die in Weiß Ja.
Hofbeamter Ich warne Euch. Weiß der König bereits, wer Ihr seid?
Die in Weiß Ich versteh Euch nicht–
Hofbeamter Hm. Ratet mal, wer im Keller sitzt.
Die in Weiß Im Keller?
Hofbeamter Euer Gatte.
Die in Weiß Wer?! Was redet Ihr da?!
Hofbeamter Euer Gatte, Frau Gräfin. Der Graf von Hermannstadt.
Stimmt’s?
Die in Weiß Woher wisst Ihr, dass ich–
Hofbeamter Er hat es mir selber erzählt. Ich hab ihn im Keller besucht–
Die in Weiß In was für einem Keller?!
Hofbeamter Ja ja, Gräfin, unheimliche Situation. Wie konntet Ihr auch nur derartig leichtfertig handeln? Zuerst betrügen Graf und Gräfin den König mit dem Muster, dann wandelt Ihr mit ihm die halbe Nacht im Park herum, und dann erscheint gar Euer Gatte und möcht uns hier alle massakrieren–
Die in Weiß Massakrieren?!
Hofbeamter Getobt hat er, dass drinnen im Saal die Geweihe von den Wänden gefallen sind– alles wegen seinem Geweih! Wie konntet Ihr nur damit rechnen, dass Euer Mann Euch so liebt!
Die in Weiß Liebt? Er liebt mich?!
Hofbeamter Er ist ja schon wirr vor lauter Liebe!
Die in Weiß Wunderbar!
Hofbeamter »Wunderbar«?
Die in Weiß Oh Himmel, ist es denn zu fassen! Er liebt mich, dass die Geweihe von den Wänden fallen– ich habs ja immer geahnt! Und doch, welch Glück geliebt zu werden, und lieben Götter welch ein Glück!
Hofbeamter Habt Ihr denn keine Angst vor dem König?
Die in Weiß Nein, Jetzt fürcht ich keinen König, Kaiser, Sultan! Jetzt hab ich endlich die Kraft und den Mut, ihm zu beweisen, dass ich kein Unheil bring!
Szene 4
Matthias Gräfin von Hermannstadt! Darf ich Euch Eueren Gatten vorstellen– er liebt Euch so blind, dass er sich dabei ein bisserl den Kopf angestoßen hat. Ja, und dabei solls auch bleiben– Du verdankst es ihr, nur ihr– ich bitt dich, schau nicht so grimmig! Sie blieb dir treu.
Graf Ist es wahr?
Die in Weiß Was der König sagt, ist immer wahr.
Matthias Viermal hat sie um deinen Kopf gebeten–
Die in Weiß Nur dreimal.
Matthias So?. Also den Kopf hätten wir ja wieder– aber die dreihundert Männer für Selischtje
Die in Weiß Warum, Majestät? Selischtje ist doch so lieblich– die Erde ist gut, der Wald ist dicht, sauber die Höfe und jede hat ihr Feld. Gewiss, die Frauen sind wirklich nicht schön, das stimmt, aber gibbts denn unter Euch Männern nur Schönheiten? Gebt doch den hässlichen Weibern hässliche Männer– Ihr werdet schon welche finden, und wenn nicht, dann will ich Euch, Majestät, gerne beim Suchen helfen.
Matthias Glaub es mir, diese Frau bringt kein Unglück, im Gegenteil: seit ich sie kenne, geht alles besser. Der Weizen steht herrlich, seit Jahren gabs nicht mehr soviel Trauben, in der ganzen Zeit kein einziger Fall von Pest, und der Sultan ist unwahrscheinlich friedlich– und Selischtje kriegt dreihundert Männer, hässlich wie die Nacht–
Graf Ihr lacht mich aus?
Matthias Ja. Lebt wohl, Gräfin von Hermannstadt! Und wenn Euch Euer Gatte wieder einsperren möcht, dann kommt nur zu mir, ich hör Euch an, denn es ist wichtig, dass es der Frau gut gehe– schließlich seid Ihr Frauen ja immerhin die größere Hälfte meines Volkes. Lebt wohl, Graf und Gräfin von Hermannstadt!
Die in Weiß Auf Wiedersehen–
Matthias Auf Wiedersehen?–
Hofbeamter Majestät?
Matthias Die Nächsten!