Ödön von Horváth. 1937
Wir schreiben das Jahr 1458.
Der neu gewählte König von Ungarn und Kroatien, Matthias Corvinus, steht vor vielen Problemen in seinem Reich, denn nicht nur die Korruption, sondern auch der Krieg gegen das Osmanische Reich verschlingt alle Ressourcen.
Im Dorf Selischtje in der Grafschaft Hermannstadt in Siebenbürgen fehlt die wichtigste von allen: Männer. Ohne die kann der Graf von Hermannstadt die Felder in seinem Dorf nicht bewirtschaften lassen: „Die Erträgnisse meiner Güter werden immer minimaler, wenn das so weitergeht, werd ich bald arbeiten müssen“.
Nun soll eine Petition an den neuen König Abhilfe schaffen, wäre da nicht ein klitzekleines Problem: Ausnahmslos alle Frauen aus Selischtje sind nicht gerade für ihre Schönheit bekannt. Eine handverlesene Delegation von Frauen soll nun den König vom Gegenteil überzeugen. Währenddessen verfolgt die Gräfin von Hermannstadt ganz andere Pläne…
Das unterhaltsame Stück von Ödön von Horváth (1901-1938) wurde am Neuen Deutschen Theater in Prag am 24. September 1937 uraufgeführt. Das „Lustspiel in sieben Bildern“ beruht auf Motiven des Romans „Szelistye, das Dorf ohne Männer“ des Autors Kálmán Mikszáth.
Aufführungstermine
- Dienstag, 25. Juni, 20 Uhr
- Montag, 1. Juli, 20 Uhr
- Samstag, 6. Juli, 20 Uhr
- Sonntag, 7. Juli, 20 Uhr
- Freitag, 12. Juli, 20 Uhr
- Ersatztermin (falls eine der Vorstellungen wetterbedingt ausfallen muss): Dienstag, 16. Juli, 20 Uhr
Ort: Garten des Germanistischen Seminars, Karlstraße 2, 69117 Heidelberg
Kartenreservierung ab 1. Juni, 18 Uhr.
Kartenverkauf im Eingangsbereich des Seminars ab Mitte Juni jeweils am Mittag
Abendkasse jeweils ab 19.00 Uhr (reservierte Karten sind bis 19.30 Uhr abzuholen)
Gastspiel auf Schloss Fürstenau (Michelstadt)
Gastspiel auf Schloss Fürstenau: Samstag, 29. Juni 2024, 19.00 Uhr
Vorverkauf ab 2. Mai 2024 bei der „Gästeinformation Michelstadt“,
Marktplatz 1, Michelstadt
Abendkasse ab 17.45 Uhr
Gastspiel in Buchen (Odenwald)
Gastspiel im Museumshof: Samstag, 20. Juli 2024, 19 Uhr
(mit Schlechtwetteroption in der Stadthalle)
Eintritt: 10 Euro, ermäßigt: 8 Euro.
Vorverkauf vsl. ab Mitte Juni 2024: Tourist-Information Buchen
Hochstadtstraße 2, 74722 Buchen
Telefon und Whatsapp 06281 2780
Mail: info [at] verkehrsamt-buchen.de
Zum Autor
Ödön von Horváth überzeugt und begeistert bis heute und nach „Rund um den Kongress“ (2018) führt die Theatergruppe „Vogelfrei“ bereits zum zweiten Mal ein Stück von ihm auf. Horváth bezeichnete seine Werke selbst als „Volksstücke“ und entwickelte damit eine neue Form des aufklärerischen und sozialkritischen Zeitstücks. Darin offenbart er die Brutalität und die Gemeinheit, den Kitsch und die Verlogenheit hinter der Fassade und macht seine Figuren damit doch irgendwie menschlich. Erschreckend komisch ist auch sein Stück „Ein Dorf ohne Männer“ (1936/37), das „Vogelfrei“ in diesem Jahr auf die Bühne bringt. Ein Dorf, deren Männer im Krieg geblieben sind, ist auch im Jahr 2024 bedauerlicherweise aktuell, und doch ist der Anspruch der Inszenierung, den Humor Horváths beizubehalten. Es gibt schließlich Dinge, sie so ernst sind, dass man nur darüber scherzen kann. Horváth legt in seinem Stück den Grundstein für eine Kritik an überkommenen Geschlechterrollen; es werden unheimlich hässliche Frauen karikiert, gleichzeitig fragt der Text wahrheitsgemäß: „gibt’s denn unter Euch Männern nur Schönheiten?“ Hier hat die Theatergruppe bei Bedarf auch aktiv in den Text eingegriffen und durch Rollenverteilung versucht, diese Kritik zeitgemäß anzupassen und inszenatorisch umzusetzen.
Marvin Weiler
Gedanken zur Inszenierung
„In meinem Inneren war ich verstört und fragte mich, welches der Grund […] sein könnte, dass so viele […] verschiedene Männer, […] in ihren Reden, Traktaten und Schriften derartig viele teuflische Scheußlichkeiten über Frauen und deren Lebensumstände […] verbreiten. […]“
Christine de Pizan. Das Buch von der Stadt der Frauen. (1405)
Ist nun aber ein Theaterstück der späten 30er-Jahre, dessen gesamte Prämisse darauf beruht, dass die Frauen des titelgebenden Dorfes abscheulich hässlich sind, überhaupt noch zeitgemäß?
Ein Dorf ohne Männer, und doch kommen eben nur jene zu Wort: Sie verhandeln für, anstatt und über die Frauen.
Wie gut, dass ausgerechnet ein jugendlicher König aber auch ein feinfühliger Bader, die wie kaum zwei andere das patriarchale System repräsentieren, dem Status quo entfliehen, trotzdem sie dabei gesellschaftlich an vielen Kanten anecken. Aber nur so treiben sie den notwendigen Wandel voran– Doch ist ein misogyner Statthalter besser als ein korrupter?
Fragen, die uns am Ende nur die anachronistische Erzählerin, deren Text dennoch zu großen Teilen Horváths Feder entsprungen ist, zu beantworten vermag.
Währenddessen ist
„Selischtje […] so lieblich– die Erde ist gut, der Wald ist dicht, sauber die Höfe und jede[…] hat ihr Feld. […] Der Weizen steht herrlich [und] seit Jahren gabs nicht mehr so viel Trauben […].“
Gräfin von Hermannstadt in: Ödön von Horváth. Ein Dorf ohne Männer (1937)
Jonah Cedric Strauß