Sommer 2024 – »Ein Dorf ohne Männer«

Ödön von Horváth. 1937

Wir schreiben das Jahr 1458.

Der neu gewählte König von Ungarn und Kroatien, Matthias Corvinus, steht vor vielen Problemen in seinem Reich, denn nicht nur die Korruption, sondern auch der Krieg gegen das Osmanische Reich verschlingt alle Ressourcen.

Ein grober Holzschnitt von Matthias Corvinus in einem weiten roten Königsmantel mit Nerzkragen und spitzen Schuhen auf einem Thron inmitten eines Fenstersimes.
Er trägt die Stephanskrone und hält einen Reichsapfel in der linken, ein Zepter in der rechten Hand. In der linken Fensternische hinter ihm ist sein Wappen abgebildet.
Es zeigt in einer Vierung oben heraldisch rechts das Wappen Neuungarns: In Rot ein Doppelkreuz (Lothringerkreuz) auf einem grünen Dreiberg auf silbernem Grund. Heraldisch links: Das Wappen Altungarns; Vier rote und vier silberne Querstreifen. Unten heraldisch rechts zeigt sich ein heraldisch links gewendeter doppelschwänziger, silberner (böhmischer) Löwe auf rotem Grund. Unten heraldisch links auf silbernem Grund auf rechts aufstrebendem Zweige mit grünen Blättern, ein flugbereiter Rabe, im Schnabel einen goldenen Ring mit rotem Stein aufrecht haltend.
Holzschnitt von Matthias Corvinus in der Chronica Hungarorum des Johannes de Thurocz. [Wikimedia]

Im Dorf Selischtje in der Grafschaft Hermannstadt in Siebenbürgen fehlt die wichtigste von allen: Männer. Ohne die kann der Graf von Hermannstadt die Felder in seinem Dorf nicht bewirtschaften lassen: „Die Erträgnisse meiner Güter werden immer minimaler, wenn das so weitergeht, werd ich bald arbeiten müssen“.

Nun soll eine Petition an den neuen König Abhilfe schaffen, wäre da nicht ein klitzekleines Problem: Ausnahmslos alle Frauen aus Selischtje sind nicht gerade für ihre Schönheit bekannt. Eine handverlesene Delegation von Frauen soll nun den König vom Gegenteil überzeugen. Währenddessen verfolgt die Gräfin von Hermannstadt ganz andere Pläne…

Das unterhaltsame Stück von Ödön von Horváth (1901-1938) wurde am Neuen Deutschen Theater in Prag am 24. September 1937 uraufgeführt. Das „Lustspiel in sieben Bildern“ beruht auf Motiven des Romans „Szelistye, das Dorf ohne Männer“ des Autors Kálmán Mikszáth.

Aufführungstermine

Auf magentafarbenem Grund ist das Titelmotiv in weiß abgebildet:
Es zeigt drei Frauen mit dunklen, gewellten bis gelockten Haaren in eleganten Kleidern in einer riesigen Badewanne auf Rädern sitzend. Über den Badewannenrand ergießt sich reichhaltiger Badeschaum. In der Luft fliegen allerlei Seifenblasen.
Die prominent sichtbaren Räder sind typische Räder mit dicken Speichen, wie man sie an einer hölzernen Kutsche finden würde.
Darunter eine weiße Leiste in der sich drei Logos befinden.
Erst ganz links das Logo der Stadt Heidelberg (Eine stilisierte Brücke als Rechtecklinie über zwei dynamischeren Wellenlinien, die den Neckar symbolisieren), daneben der Schriftzug: Heidelberg.
In der Mitte erst der Schriftzug: Germanistisches Seminar Universität Heidelberg; Rechts daneben das Universitätssiegel in der Farbe „Ochsenblut“.
Ganz rechts findet sich ein geschwungener Schriftzug; er lautet: Dachsenfranz.
  • Dienstag, 25. Juni, 20 Uhr
  • Montag, 1. Juli, 20 Uhr
  • Samstag, 6. Juli, 20 Uhr
  • Sonntag, 7. Juli, 20 Uhr
  • Freitag, 12. Juli, 20 Uhr
  • Ersatztermin (falls eine der Vorstellungen wetterbedingt ausfallen muss): Dienstag, 16. Juli, 20 Uhr

Ort: Garten des Germanistischen Seminars, Karlstraße 2, 69117 Heidelberg

Kartenreservierung ab 1. Juni, 18 Uhr.

Kartenverkauf im Eingangsbereich des Seminars ab Mitte Juni jeweils am Mittag

Abendkasse jeweils ab 19.00 Uhr (reservierte Karten sind bis 19.30 Uhr abzuholen)

Gastspiel auf Schloss Fürstenau (Michelstadt)

Gastspiel auf Schloss Fürstenau: Samstag, 29. Juni 2024, 19.00 Uhr

Vorverkauf ab 2. Mai 2024 bei der „Gästeinformation Michelstadt“,
Marktplatz 1, Michelstadt

Abendkasse ab 17.45 Uhr

Gastspiel in Buchen (Odenwald)

Gastspiel im Museumshof: Samstag, 20. Juli 2024, 19 Uhr
(mit Schlechtwetteroption in der Stadthalle)

Eintritt: 10 Euro, ermäßigt: 8 Euro.

Vorverkauf vsl. ab Mitte Juni 2024: Tourist-Information Buchen
Hochstadtstraße 2, 74722 Buchen
Telefon und Whatsapp 06281 2780
Mail: info [at] verkehrsamt-buchen.de

Zum Autor

Ödön von Horváth überzeugt und begeistert bis heute und nach „Rund um den Kongress“ (2018) führt die Theatergruppe „Vogelfrei“ bereits zum zweiten Mal ein Stück von ihm auf. Horváth bezeichnete seine Werke selbst als „Volksstücke“ und entwickelte damit eine neue Form des aufklärerischen und sozialkritischen Zeitstücks. Darin offenbart er die Brutalität und die Gemeinheit, den Kitsch und die Verlogenheit hinter der Fassade und macht seine Figuren damit doch irgendwie menschlich. Erschreckend komisch ist auch sein Stück „Ein Dorf ohne Männer“ (1936/37), das „Vogelfrei“ in diesem Jahr auf die Bühne bringt. Ein Dorf, deren Männer im Krieg geblieben sind, ist auch im Jahr 2024 bedauerlicherweise aktuell, und doch ist der Anspruch der Inszenierung, den Humor Horváths beizubehalten. Es gibt schließlich Dinge, sie so ernst sind, dass man nur darüber scherzen kann. Horváth legt in seinem Stück den Grundstein für eine Kritik an überkommenen Geschlechterrollen; es werden unheimlich hässliche Frauen karikiert, gleichzeitig fragt der Text wahrheitsgemäß: „gibt’s denn unter Euch Männern nur Schönheiten?“ Hier hat die Theatergruppe bei Bedarf auch aktiv in den Text eingegriffen und durch Rollenverteilung versucht, diese Kritik zeitgemäß anzupassen und inszenatorisch umzusetzen.

Marvin Weiler

Gedanken zur Inszenierung

„In meinem Inneren war ich verstört und fragte mich, welches der Grund […] sein könnte, dass so viele […] verschiedene Männer, […] in ihren Reden, Traktaten und Schriften derartig viele teuflische Scheußlichkeiten über Frauen und deren Lebensumstände […] verbreiten. […]“

Christine de Pizan. Das Buch von der Stadt der Frauen. (1405)

Ist nun aber ein Theaterstück der späten 30er-Jahre, dessen gesamte Prämisse darauf beruht, dass die Frauen des titelgebenden Dorfes abscheulich hässlich sind, überhaupt noch zeitgemäß?

Ein Dorf ohne Männer, und doch kommen eben nur jene zu Wort: Sie verhandeln für, anstatt und über die Frauen.

Wie gut, dass ausgerechnet ein jugendlicher König aber auch ein feinfühliger Bader, die wie kaum zwei andere das patriarchale System repräsentieren, dem Status quo entfliehen, trotzdem sie dabei gesellschaftlich an vielen Kanten anecken. Aber nur so treiben sie den notwendigen Wandel voran– Doch ist ein misogyner Statthalter besser als ein korrupter?

Illustration aus einem Manuskript.
Das Bild ist zweigeteilt. Auf der linken Seite ist ein von Rundbögen gesäumter Raum mit einem Fußboden in Mosaik-Schachbrettmuster abgebildet, in dem sich vier Frauen in weiten, eleganten Gewändern um einen Tisch befinden. Der Tisch ist mit einer roten Tischdecke belegt. Auf ihm liegt ein aufgeschlagenes Buch, daneben ein mit zwei Schnallen verschlossenes grünes auf einem kleineren roten Buch.
Die Frau ganz links stellt die Autorin Christine de Pizan dar; sie trägt ein blaues Gewand und einen weißen Doppelhennin oder Escoffion. Ihre linke Hand ruht auf dem aufgeschlagenem Buch.
Die übrigen drei Frauen tragen je eine goldene Krone und ein Kleid in charakteristischer Farbe sowie einen auszeichnenden Gegenstand: Ganz links die Vernunft trägt ein gelbes Gewand und hält einen runden Spiegel in der Hand. In der Mitte steht die Gerechtigkeit. Sie trägt ein blaues Gewand mit einem goldenen Brustband und hält ein Schwert in der rechten Hand. Rechts steht die Rechtschaffenheit in einem roten Kleid mit einem weißen Wams. In ihrer Hand trägt sie einen Messbecher.
Auf der rechten Seite der Illustration sieht man Christine de Pizan gemeinsam mit der Rechtschaffenheit eine Mauer bauen. Christine trägt mit einem Spachtel Mörtel auf, während die Rechtschaffenheit ihr gegenüber einen Stein heranträgt. Auf einem der Steine liegt ein rechteckiges Gefäß, in dem sich Bausubstanz befindet.
Miniatur aus: Christine de Pizan (1364-1430?). Das Buch von der Stadt der Frauen. 1405.

Fragen, die uns am Ende nur die anachronistische Erzählerin, deren Text dennoch zu großen Teilen Horváths Feder entsprungen ist, zu beantworten vermag.

Währenddessen ist

„Selischtje […] so lieblich– die Erde ist gut, der Wald ist dicht, sauber die Höfe und jede[…] hat ihr Feld. […] Der Weizen steht herrlich [und] seit Jahren gabs nicht mehr so viel Trauben […].“

Gräfin von Hermannstadt in: Ödön von Horváth. Ein Dorf ohne Männer (1937)

Jonah Cedric Strauß